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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria
Autoren: Gillian Bradshaw
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präsentier sie nur«, sagte der Soldat feixend. »Wirklich sehr großzügig von deinem Gebieter, du alte Hexe. Der Statthalter liebt derartige Präsente.« Einen Augenblick lang war Maia einfach viel zu erschrocken, um zu reagieren. Dann zuckten ihre mageren Schultern, und sie machte den Eindruck, als sei sie drauf und dran, den Soldaten anzuspucken. Aber er lachte nur und gab den Weg frei. »Nun geh schon«, sagte er zu ihr. Ich wußte, daß sie sich vornahm, sich über ihn zu beschweren, sobald sie eine Gelegenheit dazu erhielt.
    Sie erhielt keine Gelegenheit dazu. Als wir das Zimmer betraten, war klar, daß wirklich etwas nicht stimmte. Mein Vater stand mitten im Raum, am oberen Ende des Wagenlenkermosaiks und rang die Hände. Thorion war auch schon da; er stand an einem der Fenster und machte einen aufgebrachten Eindruck. Neben ihm standen unser Hauslehrer Ischyras und der Hausverwalter Johannes. Sie wirkten ebenfalls beunruhigt. Sonst kannte ich niemanden; etwa die Hälfte der Männer waren irgendwelche Soldaten, die übrigen sahen wie Hofbeamte aus. Durch die offenen Fenster konnte ich sehen, daß draußen noch mehr Soldaten und Hofbeamte waren.
    »Aber warum denn?« jammerte mein Vater, ohne von Maia oder mir Notiz zu nehmen. Er richtete seine Frage an einen hochgewachsenen Mann, der auf der besten Ruhebank saß und gerade einen Schluck von dem Wein meines Vaters trank.
    »Weil du Theodoros heißt«, sagte der Mann. »Wenn du unschuldig bist, hast du nichts zu befürchten. Aber es muß Gerechtigkeit herrschen. Wir müssen eine Untersuchung durchführen, und die Strafen werden äußerst hart sein.«
    Dieser Mann trug den mit einem Purpurstreifen versehenen Umhang, der auf den Rang eines Senators hinwies. Der Umhang selbst war von einem mit Brokat durchwirkten Grün, in den ein prächtiges Blattmuster eingewoben war, und seine ebenfalls grüne Tunika war lang und reichte ihm beinahe bis zu den Knöcheln: das Gewand eines Mannes von Rang. Er war etwa so alt wie mein Vater, groß, kräftig, mit frischer Hautfarbe. Sein Kinn wies dunkle Bartstoppeln auf, doch seine Haare waren ungewöhnlich blond, beinahe weiß, und er hatte blaue Augen. Er sprach mit einem nasalen Akzent, den ich noch nie gehört hatte, und bei einigen Worten zögerte er, so, als sei das Griechische nicht seine Muttersprache. Um den Hals trug er eine mit vielen amtlichen Siegeln verzierte Kette.
    »Aber…«, sagte mein Vater und mußte innehalten, weil die Stimme ihm versagte. Der Fremde beobachtete ihn belustigt. Eigentlich sah mein Vater sehr gut aus, kultiviert und von lässiger Eleganz: Er war ein hochgewachsener Mann, sehr schlank, mit braunen, allmählich etwas schütter werdenden Haaren und großen Händen. Doch jetzt sah er eher wie ein bemitleidenswerter Possenreißer aus. Als er bei dem Versuch , seine Stimme unter Kontrolle zu bringen, mehrmals schluckte, sprang sein Adamsapfel hervor. Er trug seinen besten Umhang, weiß und gold mit einem Purpurstreifen. Aber in seiner Erregung hatte er ihn über eine seiner spitzen Schultern heruntergleiten lassen und auf der anderen Seite hatte sich der Umhang verfangen und zeigte unter der blauen Tunika die dünnen, haarigen Unterschenkel meines Vaters. Seine Hände zitterten. Als er es bemerkte, preßte er sie zusammen und begann dann erneut, sie zu ringen. Es war mir noch nie so klar geworden, wie lächerlich die Angst einen Mann machen kann.
    »Aber ich habe doch nichts getan, um solche Verdächtigungen zu verdienen!« brachte er schließlich heraus. »Niemand ist ihrer Erhabenen Majestät treuer ergeben als ich! Ich habe immer alle meine Pflichten als Bürger und ergebener Untertan erfüllt. In den vergangenen acht Jahren habe ich dem Magistrat von Ephesus fünfmal angehört. Ich habe, ich weiß nicht wie viele Pferderennen finanziert. Ich habe Gelder für die Reparatur der öffentlichen Bäder und des Aquädukts sowie für die Ausbaggerung des Hafens beigesteuert. Ich habe…«
    »Du hast sehr viel getan, um die Zuneigung deiner Mitbürger zu gewinnen«, unterbrach ihn der Fremde gelassen. »Aber seine Erhabene Majestät, unser erlauchter und ruhmreicher Gebieter, der Augustus Valens« – und er ließ sich die Titel des Kaisers so genießerisch auf der Zunge zergehen, als kaue er auf Zuckerwerk herum – »möchte gerne wissen, warum du all dies getan hast.«
    Mein Vater stand ganz einfach da und schnappte wie ein Fisch nach Luft. Sein großer Aufwand für den Magistrat und für die
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