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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria
Autoren: Gillian Bradshaw
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außer Fassung war, aber ich hatte geglaubt, es könne ihm nichts zustoßen: meinem Vater, dem höchst edlen Theodoros von Ephesus, dem Ausrichter der Pferderennen! Aber wenn Euserios etwas zustoßen konnte, konnte jedem etwas zustoßen. Gefoltert! Im allgemeinen wurden Leute vom Range eines Euserios nicht gefoltert. Wenn das Gesetz, das sie davor schützte, außer Kraft gesetzt wurde, so bedeutete das, daß eine nachgewiesene und sehr ernste Verschwörung gegen den Kaiser vorliegen mußte. Und die Grausamkeit der erhabenen, geheiligten Majestäten war berüchtigt. Auch nur das geringste Anzeichen von Verrat würde mit äußerster Strenge verfolgt werden.
    »Du kennst auch meinen Vorgänger Eutropios«, sagte der Fremde. Eutropios war der Statthalter des letzten Jahres, dann mußte dieser Mann also der gegenwärtige sein. Der Soldat hatte es wörtlich gemeint, als er von ihm als dem »Statthalter« gesprochen hatte. Wie hieß er noch? Festinus, erinnerte ich mich. Ein lateinischer Römer aus dem Westreich, aus der unvorstellbar fernen Provinz Gallien. Es hatte beträchtlichen Klatsch über ihn gegeben: »Ein absoluter Niemand«, hatte Maia verächtlich zu Ischyras gesagt. »Was sein Herkommen anbetrifft, kaum vornehmer als ich. Aber er hatte das Glück, mit mächtigen Freunden zur Schule zu gehen, und jetzt ist er aus dem Westreich hierher gekommen, diese Geißel.«
    Mein Vater sprang auf. »Ja! Ja! Aber wie sollte ich denn den Statthalter Asiens nicht kennen? Wenn er doch hier in Ephesus residiert? Ich hoffe, Eutropios…«
    »Er steht im Verdacht«, unterbrach ihn Festinus. Es schien ihm zu mißfallen, daß es bisher nur ein Verdacht war. »Doch Euserios steckte bis zum Hals mitten drin.« Er stand auf und goß sich selbst ein wenig Wein nach. »Er ist ausgezeichnet«, sagte er und nippte an dem süßen Getränk. Dann nahm er seinen Sitz wieder ein. »Zu deinen Weinbergen muß man dir gratulieren.«
    Mein Vater blickte ihn verängstigt an. Festinus lächelte. Maia fächelte meinem Vater noch einmal Luft zu, ohne den Statthalter zu beachten, und Festinus deutete mit einem Kopfnicken auf sie. »Wer ist diese Sklavin? Wann ist sie hier hereingekommen?«
    Mein Vater nahm einen Schluck von dem Wein, den Maia ihm gereicht hatte. »Sie ist die Amme meiner Kinder«, sagte er. »Meiner Tochter Charis und meines Sohnes Theodoros.« Er deutete mit einer kraftlosen Handbewegung auf uns. Festinus blickte uns beide nachdenklich an und lächelte. Seine weißen Zähne leuchteten in dem geröteten Gesicht.
    »Vortrefflicher«, sagte Thorion kühn. »Mein Vater ist kein Verräter.«
    »Das hoffe ich«, entgegnete Festinus. »Sind die Sklavin und die junge Dame zwischendurch einmal rausgegangen?«
    »Nein, Vortrefflicher«, sagte Maia, beugte ihren Kopf und sah Festinus immer noch nicht an. Ihr Tonfall war äußerst respektvoll, doch die Stimme schien kaum zu ihr zu gehören.
    »Wir sind gerade hereingekommen, niemand ist zwischendurch draußen gewesen. Ich glaube, deine Leibwächter würden auch keinen durchlassen, falls es jemand versuchen sollte.«
    Der Statthalter nickte. »Gut. Dann konnte also niemand Anweisung geben, etwas zu verstecken.« Er nickte noch einmal und befahl einem der Beamten: »Sag ihnen, sie sollen jetzt damit anfangen, das Haus zu durchsuchen.« Er sah meinen Vater erneut an. »Gib ihm sämtliche Schlüssel.«
    »Johannes«, sagte mein Vater mit gebrochener Stimme zu seinem Hausverwalter. »Du hast die Schlüssel. Gehe mit diesem edlen Mann mit und tu, was er sagt.«
    »Auch deine privaten Schlüssel«, beharrte Festinus.
    Mein Vater starrte ihn unglücklich an, dann nahm er sehr langsam den Riemen von seiner Tunika, an dem die Schlüssel zu seiner Schatztruhe und dem Schreibpult hingen. Er blickte sie einen Augenblick lang starr an. Der Hausverwalter Johannes trat zu ihm und streckte seine Hand nach ihnen aus, wobei er ebenso blaß aussah wie mein Vater selbst. Vater ließ die Schlüssel in die ausgestreckte Hand seines Verwalters fallen, und Johannes ging zu dem Beamten, auf den der Statthalter gezeigt hatte.
    Der Beamte verneigte sich vor Vater und Festinus, nickte einigen der Soldaten zu und ging in den Hof hinaus. Mit den Leuten draußen machte er sich daran, das gesamte Haus nach Beweisen für einen Verrat zu durchstöbern. Mir wurde klar, daß sie anschließend auch die Sklaven foltern würden. Und dann, falls irgendein Beweis auftauchen oder falls irgendeiner aus dem Haushalt auf der Folterbank etwas
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