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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria
Autoren: Gillian Bradshaw
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diejenige meines Bruders, des Statthalters Theodoros, sowie die meines Freundes, des Heerführers Sebastianus. Ich hoffe, daß du, edler Valerius, seine einwöchige unerlaubte Entfernung gütigst übersehen wirst. Ich bin sehr müde. Mit deiner Erlaubnis werde ich mich in mein Haus zurückziehen und ein wenig ruhen.«
    Valerius sah mich mit offenem Mund an, dann trat er einen Schritt zurück und nickte hilflos.
    Athanaric half mir auf die Beine, und ich humpelte davon, wobei ich mich auf ihn stützte. Arbetio ließ seinen Patienten stehen und folgte uns. Irgend jemand, dachte ich bei mir, wird sich schon um die Pferde kümmern. Plötzlich gab es einen heftigen Blitzschlag, und es fing an zu regnen.
    Bis wir bei meinem Haus waren, hatte sich die Nachricht von unserer Ankunft bereits durch die ganze Festung verbreitet und die Hälfte ihrer Einwohner folgte uns ungeachtet des inzwischen heftig niederströmenden Regens. Ich war froh, das Haus zu erreichen. Es war das neue Haus, das ich kurz vor meiner Gefangennahme gekauft hatte, und mein gesamter Hausstand wartete vor der Tür auf uns: meine Sklaven, Raedagunda und Sueridus, Gudrun, die das Baby auf dem Arm hielt (inzwischen war es bereits ein recht großes Baby), und Alaric (auch er war ganz schön gewachsen). Dazu eine kleine, rundliche, blonde Frau, die die Schlüssel an ihrem Gürtel trug. Ich war ihr nur ein paarmal begegnet, aber ich wußte, es war Arbetios Frau. Sie umarmte ihren Mann, ließ uns alle herein und schloß die Tür hinter uns. Ich setzte mich auf die Bank neben der Tür und lehnte mich an die Wand. Das Wasser rann mir die Haare herunter ins Gesicht und in die Augen, deshalb schloß ich sie. In der Dunkelheit hinter den geschlossenen Lidern sah ich das Land rund um Hadrianopolis, sah die Drachen und Adler der untergehenden Standarten und den blutbefleckten, kaiserlichen Purpur. Ich öffnete die Augen. Arbetios Frau stand vor mir und machte einen besorgten Eindruck.
    Ich versuchte zu lächeln. »Sei gegrüßt, Irene. Es ist schön, zu Hause zu sein.«
    Sie verbeugte sich. »Ja, vortreffliche Charis. Geht es der erlauchten Dame gut?«
    »Ich bin sehr müde. Du hast die Zimmer nach meiner Gefangennahme sicherlich umgeräumt; kannst du mir bitte sagen, welches ich benutzen kann? Ich muß ein wenig ruhen.«
    Ich raffte mich auf und stand tropfnaß auf dem mit Steinfliesen ausgelegten Küchenfußboden. Athanaric stand da und beobachtete mich, er war sehr blaß. »Liebster«, sagte ich, »bitte sei mein Gast heute nacht. Geh noch nicht ins Präsidium.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich muß die Neuigkeiten hören. Und ich sollte im Präsidium schlafen; es würde sich nicht schicken, hierzubleiben.«
    Ich seufzte und blickte auf den Fußboden. »Dann komm wenigstens zum Abendessen.«
    »Das will ich tun.« Er zog sich das eine Ende seines Umhangs über den Kopf und trat wieder in den Regen hinaus. Ich blickte hinter ihm her, biß mir auf die Zunge, dann torkelte ich ins Bett.
    Ich schlief ein, während der Donner über den Dächern widerhallte. Als ich aufwachte, hörte ich nur noch den Regen, der stetig und prasselnd auf das Dach schlug. Es war inzwischen ziemlich dunkel, und ich lag da, ohne mich zu rühren, und starrte in die Finsternis. Bevor ich auf das Bett gesunken war, hatte ich meinen nassen Umhang und die Tunika abgestreift: Das Bettzeug fühlte sich weich an auf meiner Haut. Der Kaiser wurde vermißt, wahrscheinlich war er tot. Der Erhabene Gebieter, unser edler Valens, der Augustus und Herr der Welt, tot, gefallen im Kampf gegen die Goten. Ich hatte viele seiner Diener und Günstlinge gehaßt, ich hatte seine Politik gehaßt, und ich hatte manchmal geglaubt, ihn ebenfalls zu hassen. Aber als ich von seinem Tod hörte, fühlte ich nur Schmerz. Der Mensch spielte keine Rolle. Er war der Kaiser, er hatte den geheiligten Purpur getragen, hatte die Welt, in der ich lebte, beherrscht, und sein Tod ließ den Staat ziel und kopflos zurück. Er war nicht der erste Kaiser, der im Kampf gegen die Barbaren fiel, selbst im Verlaufe meines Lebens, aber er war der erste, an den ich mich erinnerte. Julian war mitten während seines Feldzuges gegen die Perser getötet worden. Ich war damals noch ein kleines Mädchen. Aber er hatte keine von den barbarischen Horden überrannte römische Diözese hinterlassen und keine dahingeschlachtete oder in alle Winde zersprengte Armee. Natürlich blieb immer noch der westliche Augustus, der Erhabene Gratianus, der jetzt mit
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