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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria
Autoren: Gillian Bradshaw
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dafür, daß wir in friedlicher Absicht kamen. »Wir sind vor den Goten aus Carragines geflohen. Ich bin Athanaricus von Sardica, Curiosus der Agentes in rebus.« Er hielt sein Beglaubigungssiegel an der Kette in die Höhe. »Dies ist Arbetio, der Chefarzt dieser Festung. Und dies ist die Dame Charis, Tochter des Theodoros von Ephesus.«
    Sie hatten allesamt zu uns heruntergesehen und Arbetio erkannt. Doch sobald Athanaric meinen Namen nannte, wandten sie ihre Aufmerksamkeit mir zu. Rufe ertönten, dann übermütiger Jubel. Jemand rannte herbei, um das Tor zu öffnen; die großen, eisenbeschlagenen Flügel schwangen auf, und wir ritten in die Festung ein. Ein Windstoß zerrte an den Torflügeln, als die Wachen sie hinter uns schlossen, und die ersten Regentropfen klatschten dick und schwer an den sicheren Schutz der Mauern. Und ein langes Lebewohl dir, Thrazien, dachte ich im stillen. Von hier aus werde ich mit dem Schiff den Fluß hinunter segeln und dann hinaus auf das Schwarze Meer, wo es keine Barbaren gibt.
    Die Soldaten der Festung umringten uns. Jetzt konnte ich sehen, daß sie fast alle Rekonvaleszenten waren: Sie humpelten oder waren von Krankheilen ausgemergelt, einige hatten einen Arm in der Schlinge, andere liefen mit bandagiertem Brustkorb, Kopf oder Oberschenkel herum. Aber sie lachten und riefen uns fröhliche Willkommensgrüße zu. »Charis von Ephesus!« ertönte es. »Von den Goten geschnappt!«
    »Und das hier für Frithigern!« schrie einer und machte eine obszöne Geste; sein Nachbar knuffte ihn in die Seite: »Denk daran, daß sie eine Edelfrau ist.« Mehrere ergriffen die Zügel meines Pferdes, und ich glitt schnell von ihm herunter und zog meine Röcke glatt. Ich brauchte den Anblick meiner geschundenen Beine ja nicht unbedingt der gesamten Festung zu bieten. Die Männer umringten mich, lachten, und ich fühlte mich ein wenig schwindelig; die Knie zitterten mir vor Müdigkeit. Ich klammerte mich an den Sattel meines Pferdes und lächelte etwas matt zurück. Athanaric lenkte sein Pferd in die mich umringende Menge.
    »Tretet zurück!« rief er. »Die Dame braucht ein wenig Ruhe. Laßt sie durch, damit sie in ihr Haus gehen kann – aus dem Wege, ihr da!«
    Ein wenig unsicher wichen sie zur Seite und liefen ziellos herum, dann rief jemand: »Antreten! Formiert euch!« Und im Nu stellten sie sich auf und nahmen Haltung an. Der Tribun Valerius eilte durch die Reihen. Seine Blicke überflogen die Menge, glitten über mich hinweg und blieben auf Athanaric haften. »Edler Athanaric!« rief er ungeduldig. »Hast du irgendwelche Nachrichten? Hat man den Kaiser gefunden? Sind unsere Leute gerettet? Ist Heerführer Sebastianus noch am Leben?«
    Athanaric blickte verständnislos auf ihn. »Ich bin in einer privaten Mission hier. Was soll das heißen, ob man den Kaiser gefunden hat?«
    Valerius blieb stehen und sah ihn bestürzt an. Ein Windstoß zerrte an seinem scharlachroten Umhang, ließ die Helmbüsche der Soldaten aufflattern und ein paar weitere Regentropfen prasselten herunter. »Hast du denn nichts gehört?« fragte er.
    »Gehört, was?« fragte Athanaric zurück; dann drängender:
    »Was ist passiert?«
    »Die Barbaren haben einen großen Sieg bei Hadrianopolis errungen«, erzählte Valerius schwerfällig, und die Hoffnung schwand aus seinen Augen. »Der Kaiser wird vermißt, wahrscheinlich ist er tot. Und der größte Teil der Armee ebenfalls. Der Rest wird in Hadrianopolis von den Goten belagert. Ich hatte gehofft, du bringst bessere Nachrichten.«
    Athanaric stieß einen Schrei tiefen Schmerzes und erschrockener Betroffenheit aus. Meine zerschundenen Beine weigerten sich, mich länger zu tragen, und knickten unter mir weg. Ich setzte mich auf den nackten Boden und fühlte mich krank und schwach. Athanaric sprang von seinem Pferd; die Ordnung der Soldaten geriet durcheinander, und sie umringten ihn, aber er scheuchte sie zur Seite und kniete neben mir nieder.
    »Es geht mir gut«, beruhigte ich ihn. »Es sind nur die Beine, von dem vielen Reiten.«
    Valerius tauchte vor uns auf und starrte erstaunt auf mich herunter.
    »Chariton!« rief er aus. »Wie um alles auf der Welt…«
    »Athanaric und Arbetio haben mich aus den Händen der Goten befreit«, berichtete ich.
    »Arbetio? Er wurde vermißt; ich dachte schon, er sei desertiert.«
    »Nein. Er war nur damit beschäftigt, eine römische Frau aus den Händen der Barbaren zu retten. Er hat all meine Dankbarkeit verdient, und ich bin sicher, auch
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