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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition)
Autoren: Martin Suter
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harten Schatten im gelb-und mauvefarbenen Gewühl des achtlos hingeworfenen Kleides und Unterrocks. Das lila Kleidungsstück, aus dem, sehr nackt im Widerschein dieser einzigen Lichtquelle, der Torso der Frau ragte. Das warme Rot der Glut hinter der verglasten Tür des Salamanders.
    Und in der rechten oberen Ecke des Ofens die kleine Verzierung im Eisenguss, eine kleine Knospe – oder ein kleines Hinterteil.
    Ein kleiner Arsch von links.
    Eine sehr intime Szene. Ein sehr privates Bild.
    Eine ganze Weile saß Adrian Weynfeldt in diesen Anblick versunken und freute sich.
    Und wie jeden Morgen mischte sich in die Freude des Kunstfreundes und Sammlers über das Werk die Freude des Geschäftsmannes über dessen Preis. Vier Komma sechs-vier Millionen abzüglich der eins Komma neun-fünf von Baier und den fünfzigtausend von Lorena.
    Er hörte, wie die Türklinke gedrückt wurde. Dann klopfte es. »Moment!«, rief er, stand auf und schob das mittlere Element der Spiegelwand wieder vor das Bild, bis es mit einem kaum hörbaren Klicken einschnappte und mit den beiden anderen eine einzige Front bildete. Dann schloss er die Tür auf und öffnete.
    Lorena stand davor. Sie trug eine Stretchhose, eines seiner blauen Maßhemden mit hochgekrempelten Ärmeln und ein schwarzes elastisches Stirnband, das ihr ungekämmtes Haar zusammenhielt. Sie machte wohl ihre wochenalte Drohung wahr, am Morgen in Zukunft ebenfalls zu trainieren.
    Sie sah verschlafen aus, ihre Augen waren ein wenig geschwollen, das Schwarz ihrer gefärbten Wimpern etwas abgeschossen, so dass das Rot durchschimmerte. Auf ihrer linken Wange war ein tiefer Schlafabdruck, über den sie sich vor dem Spiegel bestimmt schon geärgert hatte. Die Fältchen um die Augen waren etwas zahlreicher und deutlicher zu sehen als nach dem Make-up. Sie sah so schön aus, dass er sie küssen musste.
    »Weshalb schließt du dich ein?«, fragte sie. »Hast du Geheimnisse vor mir?«
    »Ja«, lächelte er.
    »Und das findest du okay?«
    »Ja.«

 
     
    Ich habe Herrn lic. phil. Hans-Peter Keller, dem Experten für Schweizer Kunst bei Christie’s Zürich, herzlich zu danken für seine Einblicke in die Welt der Auktionen und der Kunstexperten und für seine nachsichtige Überprüfung des Fiktiven auf seine Wahrscheinlichkeit. Und Marina Ducrey für ihren atemberaubenden Werkkatalog (Félix Vallotton, 1865–1925: L’œuvre peint). Und meiner Lektorin Ursula Baumhauer für die angenehme Mischung aus Professionalität und Freundschaftlichkeit unserer Zusammenarbeit. Und meiner Frau Margrith Nay Suter für ihre präzise Kritik und ihre Bereitschaft und Fähigkeit, mich während der Arbeit an diesem Roman von ein paar Vaterpflichten zu entlasten.
     
    Martin Suter

Foto: © Christian Kaufmann
     
    MARTIN SUTER geboren 1948 in Zürich, ist Schriftsteller, Kolumnist (er schrieb die wöchentliche Kolumne Business Class und verfasste die Geschichten um Geri Weibel) und Drehbuchautor (u.a. schrieb er 2009 das Drehbuch zu dem Film ›Giulias Verschwinden‹). Bis 1991 arbeitete er als Werbetexter und Creative Director, bis er sich ausschließlich fürs Schreiben entschied. Seine Romane – zuletzt Der Koch – sind auch international große Erfolge. Martin Suter lebt mit seiner Familie in Spanien und Guatemala.
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