Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf
Autoren: Glen Duncan
Vom Netzwerk:
sagte Jake.
    »Ist nicht –« ein Krampf, bei dem ich mich am liebsten zusammengekrümmt hätte, was aber nicht ging, da die Handschellen noch immer am Käfig festgemacht waren – »deine Schuld«, brachte ich heraus. »Meine Schuld, tut mir leid.« Trotz all der Umstände war Poulsoms Fleisch, von Furcht durchtränkt, siedendheiß, noch immer ein satter Puls in dem engen Raum des Vans. Morgan sah mich an und lächelte. »Bereit für die Party?«, fragte er.
    Grainer sah auf die Uhr. »Nicht mehr lange, Leute«, verkündete er. »Ach, bevor es vorbei ist mit Ihnen, Jake, herzlichen Glückwunsch. Ich bin sicher, Sie wären ein guter Vater gewesen.«
    Poulsom wand sich und wimmerte.
    »Was?«, sagte Jake, ließ sich auf ein Knie sinken, schauderte, ging auf alle viere. Er biss die Zähne zusammen. Seine Kleidung zerriss an den Nähten. Das Haar sprießte. Meines ebenfalls.
    »Ja«, fuhr Grainer fort, »offenbar die große Nebenwirkung des Antivirus. Sieht so aus, als wäre deine Herzensdame im zweiten Monat. Frag Poulsom. Er ist ganz aus dem Häuschen deswegen, will unbedingt in die Geschichte eingehen als der Mann, der die Werwolfreproduktion für immer verändert hat. Nun geht er natürlich nirgendwohin. Jedenfalls zu nichts Gutem.«
    Jake sah mich an. Meine Wirbelsäule verrutschte. Die Schultern meiner Bluse platzten auf. Meine Schädelplatte bewegte sich. Der Bund meines Rocks platzte.
Sieht so aus, als wäre deine Herzensdame im zweiten Monat.
Unmöglich, doch sobald ich die Worte gehört hatte, war mir, als fiele ich von einer hohen Klippe. Keine Zigaretten. Kein Alkohol. Ultraschall. Handtücher von Harrods, Fernsehen, Beteuerungen. Ich dachte an das ›Magische Auge‹, diese Bilder, an den verwirrenden Augenblick, wenn aus den zwei Dimensionen des Papiers die dritte aufsteigt. Unmöglich. Aber bis zum Antivirus war es ja auch unmöglich gewesen, einen Biss zu überleben.
    »Tallula!«, rief Jake. Er war schon mehr als zur Hälfte verwandelt. Seine Augen schwanden. Seine Kleidung hing in Fetzen. Bald wäre es unmöglich zu sprechen.
    Grainer, der keine Miene verzog, richtete die Waffe auf Jakes Kopf. Eine meiner Fußschellen zerbrach. Die andere schnitt sich ins anschwellende Fleisch. Jake zuckte. Irgendwo weit weg lösten sich meine Kleider auf, und Poulsom schrie ins Klebeband. Furcht umschwirrte Morgan wie eine Wolke Fliegen.
    »Soll ich Sie zuerst umlegen?«, fragte Grainer. »Oder Sie? Wie wär’s mit einem improvisierten Kaiserschnitt? Morgan ist ziemlich gut mit dem Messer.«
    Der Van glühte vor der Hitze meiner Verwandlung. Im Wirbel der letzten Krämpfe hatte ich das Kabel vom Käfig gerissen. Die linke Handschelle war verschwunden. Die rechte schnitt mir in einer Art wütender Langeweile ins Fleisch. Dennoch erfüllte mich Freude. Mein Maul war heiß. Jake wurde noch immer von Krämpfen geplagt. Poulsom mühte sich, auf die Beine zu kommen. Sein Körper gab den Gestank von Furcht und Fleisch in Wellen von sich.
    »Deine Herzensdame ist schneller als du, Jake«, meinte Grainer. »Dagegen wirkst du wie ein Anfänger.«
    Jake hatte sich zusammengerollt, während die letzten Einzelheiten der Krallen und Ohrspitzen sich bildeten – dann hob er zum Abschluss der Verwandlung den langen, weichen Hals. Er erhob sich.
    »Lebwohl, Jake«, sagte Grainer – und dann geschahen zwei Dinge gleichzeitig.
    Die zweite Handschelle zerbrach (ein Blutstrom, das wunderbare Gefühl der Befreiung, wie eine sich öffnende Blüte), und ein Silberspeer traf Grainer mit voller Wucht in die Brust. Grainer stolperte einen Schritt zurück, ließ die Pistole fallen und ging auf die Knie.
    Morgan wirbelte herum und feuerte umher, traf Gras und Baum, tat unwillkürlich einen Schritt zurück. Ich warf mich gegen die Gitter.
    Morgan war gerade nahe genug. Mit ausgestreckten Krallen packte ich den Kragen seiner Jacke und das schweißnasse Haar im Nacken, riss ihm mit der anderen Pfote die Waffe aus der Hand, doch ließ ich sie aus Versehen fallen. Morgan wand sich, doch aus eingefleischtem Training oder übermenschlichem Willen widerstand er dem Instinkt, nach der Hand zu greifen, die ihm die Luft nahm. Stattdessen griff er nach einem Messer an seinem Gürtel und trieb es mir in den Unterarm. Der Schmerzreflex öffnete mir die Hand, er riss sich frei, ging auf ein Knie und griff nach der Waffe.
    Als Jake sprang, bildete seine Sprungbahn einen Bogen um Grainer und rahmte ihn merkwürdig lebendig ein. Grainer war immer noch auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher