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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung
Autoren: Wolfgang Jeschke
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in Europa und für ein paar Tage in Südspanien gewesen. Er erinnerte sich an Cadiz als eine heile, luftige Stadt, an den scharfen Geruch der Salzpfannen neben der Zufahrtsstraße, in denen die Sonne das Meer eindickte und vermummte Männer grauweißes feuchtes Salz zu Haufen zusammenschaufelten. An einen Speisesaal ehrwürdigen Alters, in dessen hohem Gewölbe das Klappern des Bestecks und die Stimmen der Gäste überlaut widerhallten und dessen Mauern selbst an heißen Julitagen eine Kühle verströmten, die sie in Jahrhunderten gespeichert zu haben schienen. Sehnsüchtig hatte er in Algeciras zur afrikanischen Küste hinübergestarrt, hinter deren Linie sich Städte verbargen, deren Namen sich anfühlten wie Gold und Elfenbein, wie die mahagonifarbene Haut schöner Sklavinnen und kostbare Gewänder aus Brokat und Seide. Er hatte sich damals geschworen, diese Stätten der Phantasie nie zu betreten, um sie sich unangetastet zu bewahren in ihrem sagenumwobenen Glanz und ihrer Herrlichkeit. Nun würde er sie aufsuchen. Sie waren dieser Wirklichkeit so fern wie jener, aber sie hatten den unschätzbaren Vorteil, noch unsichtbar zu schlummern im Schoß der Zukunft, noch nicht verrottete Kadaver niedergegangener Größe einer glanzvollen Vergangenheit zu sein.
     
    Längst hatte die New Atlantis abgelegt und ihre weißen Segel gesetzt, war Richtung Abend davongezogen und hinter dem Horizont verschwunden.
    Sie standen auf dem felsigen Rücken des Riegels von Gibraltar, der einst die Senke gegen die Wasser des Atlantiks abgeschirmt hatte. Steve führte fünf Reit-und Packtiere am Zügel; Jerome hatte seinen Jeep mit Anhänger für die Reise gerüstet, voll gestopft mit Reservekanistern und Vorräten, Waffen und Munition.
    Auf einer Breite von mehr als acht Kilometern - der Durchbruch hatte längst noch nicht die späteren Ausmaße erreicht - donnerten die Wasser in die Tiefe. Manchmal sah man das Aufblitzen tausender silberner Fischleiber, die der gewaltige Strom über die Kante riss, Leben, das sich aus einer Schale in die andere ergoss, Überfülle der Schöpfung. Gegen Osten hin stand der Rauch des Wassers über den Stromschnellen. Ein Brausen war in der kühlen, von Feuchtigkeit geschwängerten Luft, dass man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte.
    Steve verabschiedete sich von Snowball und Goodluck, kraulte Davy das dichte Nackenhaar und schloss Jerome in die Arme, dann stieg er in den Sattel. Er hob die Hand.
    »Gruß an Leakey!«, schrie Jerome und startete den Motor. »Ich wünsche dir ein langes Leben, Steve. Aber wenn es so weit ist, leg dich so hin, dass er dich findet.«
    »Lebwohl!«, rief Steve noch einmal und trieb sein Kamel an. Er blickte sich nicht um, ritt die brausenden Wasser entlang zu Tal, um dem Strom zu folgen, bis er die Bucht von Almeria erreichte, wo die Barke vertäut lag.
    Er konnte die Explosion nicht hören.
    Jerome war noch keine dreitausend Meter weit gefahren, da passierte es. Ein tapferer Soldat hatte während des Kampfes um Gibraltar die Heldentat vollbracht, auf dem holprigen Fahrweg, der die Zufahrt zu dem ehemaligen Bergrücken bildete, eine Mine zu vergraben.
    Jerome war auf der Stelle tot. Ein Splitter drang unter dem Kinn ein, durchschlug den Gaumen, durchquerte den rechten Stirnlappen und trat am Scheitel wieder aus. Snowball, der auf dem Beifahrersitz saß, wurde von Splittern förmlich durchsiebt, aus dem Fahrzeug herausgeschleudert und starb ein paar Minuten später. Goodluck, der auf dem Rücksitz gesessen hatte, wurde ebenfalls herausgeschleudert, verlor das Bewusstsein und blieb schwer verletzt liegen.
    Die Wucht der Explosion hatte die Anhängerkupplung abgerissen und den Anhänger umgestürzt. Das Heck des Jeep war hochgeschleudert worden, aber das Fahrzeug war wieder auf den Rädern gelandet. Mit dem toten Jerome am Steuer rumpelte es nun auf zerfetzten Reifen gemächlich links ab vom Weg zu Tal auf einen schlammigen Tümpel zu und kam mitten darin zum Stillstand. Dann begann das Fahrzeug langsam zu versinken.
    Davy bellte wie ein Irrsinniger die Blasen an, die aus der Tiefe aufstiegen. Als sie versiegten, machte er mit einem ängstlichen Winseln kehrt und trottete den Hang hinauf. Er blutete aus der Nase und zitterte am ganzen Körper.

Die Begegnung mit dem Engel
    Am frühen Nachmittag stieß Steve auf ein Bachbett und machte Rast, um die Tiere zu tränken. Während die Kamele an den saftigen Blättern des Ufergebüsches zupften, setzte er sich in den Schatten und aß
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