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Der letzte Massai

Der letzte Massai

Titel: Der letzte Massai
Autoren: Frank Coates
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wäre es nicht weiter schwierig. In Massai-Land könnte es erst eine Hochzeit nach der nächsten
Eunoto
und seinem Wechsel in den Rang eines Ältesten geben. Allerdings wäre es dort undenkbar, dass eine junge Frau ihres Alters nicht bereits verheiratet war. Aber Kiras Lage war einzigartig. Und da sie außerhalb der Gemeinschaft der Massai groß geworden war, gab es keine Regeln, um ihrer beider Verhalten zu bestimmen. Ole Sadera fühlte sich verloren. Er wollte sie, aber es gab keinen vergleichbaren Fall, um seine Entscheidung zu lenken. Die Frage einer Heirat hing in der Luft wie die Aschewolke, die aus dem Schornstein des Zuges hervorquoll. Doch er vermochte sich auf nichts anderes zu konzentrieren als auf die bevorstehende Tortur der Seereise. Danach könnten Kira und er dann über ihre Zukunft nachdenken.
    Der schrille Ton der Dampfpfeife ertönte.
    »Wir sollten besser einsteigen«, sagte Katherine, an Kira gewandt. An Ole Sadera gerichtet, fügte sie hinzu: »Ich bin mir ganz und gar nicht sicher, was Ihre Entscheidung anbelangt, die Klage in England vor Gericht zu bringen, Parsaloi.«
    Ole Sadera war fassungslos. »Aber Sie sagten doch, ich solle den Kampf fortsetzen.«
    »Den Kampf um die Revision, das schon. Aber dies hier ist etwas ganz anderes. Aus dem, was ich gehört und aus der Zeitung erfahren habe, schließe ich, dass die Massai dringend Menschen wie Sie benötigen. Leben stehen auf dem Spiel, und die Zeit drängt. Ich bin überzeugt, dass die Massai einen sehr guten Grund haben, gegen die Entscheidung der Regierung zu kämpfen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es der richtige Zeitpunkt ist, um diese Klage vor den Kronrat zu bringen. Anwälte sind dafür berüchtigt, Rechtliches um seiner selbst willen zu verfolgen. Im Augenblick steht aber das Überleben der Massai auf dem Spiel.«
    Er war überzeugt gewesen, Katherine würde es als eine Entehrung von George Colls Andenken ansehen, wenn er nicht bis zum Schluss kämpfte. Es war nicht gerade ermutigend, dass sie Bedenken dagegen hatte, in England für die Rechte der Massai zu klagen.
    »Nichtsdestotrotz«, fuhr sie fort, »bewundere ich Ihren Mut. Wenn Sie die Reise also antreten werden, so wünsche ich Ihnen viel Glück.«
    Ole Sadera ergriff ihre ausgestreckte Hand und bedankte sich für ihre Hilfe.
    »Du bist ein eigensinniger, törichter Mann«, sagte Kira, als Katherine außer Hörweite war.
    »Ich muss tun, was getan werden muss«, erwiderte er hochmütig.
    »Wieso? Du hast doch selbst gesagt, dass sich die Massai mehr darum scheren, ihre Rinder zu behalten, als sie zu verkaufen, damit du vor Gericht ziehen kannst. Wenn es niemanden in Massai-Land gibt, dem etwas daran liegt, zu gewinnen, warum sollte es dich dann kümmern? Ich finde, du solltest unverzüglich in das Reservat im Süden zurückkehren, wie es Katherine vorgeschlagen hat.«
    Nachdem er einmal seine Entscheidung getroffen hatte, wagte er es nicht, die Reise abzusagen. Stattdessen gab er sich reserviert und beschloss, ihre Argumente zu ignorieren, doch sie durchschaute seine List und sagte: »Du bist wirklich unmöglich!«
    »Hmm … Eigensinnig, töricht und jetzt unmöglich. Ich frage mich, wer gestern Nacht das Lager mit mir geteilt hat.«
    Sie erwiderte sogleich reuig: »Verzeih mir, Parsaloi. Ich habe noch niemals zuvor so empfunden, und daher weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll. Jetzt, wo ich dich kenne, möchte ich dich nicht mehr verlieren. Ich sage all diese strengen Worte, weil ich nicht weiß, wie ich dir sonst begreiflich machen soll, wie sehr ich mir wünsche, dass du bei mir bist.«
    Der Pfiff zur Abfahrt ertönte, und der Zug setzte sich mit einem Ruck in Bewegung.
    Sie ergriff seine Hand und legte sie an ihre Wange. »Komm so schnell wie möglich wieder zu mir zurück, Geliebter«, sagte sie und rannte zu dem Waggon, in dem Katherine bereits Platz genommen hatte.
    Ole Sadera war sich bewusst, dass er solch alberne Sentimentalität eigentlich vermeiden sollte, aber er blieb auf dem Bahnsteig stehen, bis der Zug außer Sichtweite war. Er würde in den kommenden Wochen all seine Entschlossenheit benötigen, um an Bord eines Schiffes zu gehen, das ihn weit weg von zu Hause und von Kira bringen würde.
     
    Ole Sadera erwachte durch eine knarrende Holzdiele aus tiefem Schlaf. Er lag in dieser Halbwelt zwischen Schlaf und Bewusstheit da und dachte zuerst, Kira sei zu ihm zurückgekehrt. Er spielte mit diesem Gedanken in den trägen Momenten, die er benötigte,
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