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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf
Autoren: Heinz G. Konsalik
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deutsche Soldatenjacke, die sie bisher getragen hatte, verbrannte sie im Ofen der Bäuerin, die ihr den Pelz geschenkt hatte.
    »Du mußt wissen«, sagte die Bäuerin und füllte Käse in den Sack Veras, »daß mein Sohn in Deutschland ist. Freiwillig ist er mitgezogen … ein großer Offizier hat ihn mitgenommen. Er war so glücklich! Sicherlich ist er ein feiner Herr, wenn er aus Deutschland zurückkommt. Du glaubst doch auch, daß er ein feiner Mann wird, nicht wahr?«
    »Das wird er sicherlich. Gott gebe dir ein langes Leben.« Vera Mocanu warf den Sack über ihre Schulter. Der Pelz war wunderbar warm und weich. »Darf ich übermorgen wiederkommen?«
    »Sooft du willst. Aber paß auf … es liegt Miliz im Dorf. Und sie schießen auf jeden, der nachts außerhalb der Häuser ist.«
    »Ich werde sofort in die Berge gehen.«
    »Gott mit dir …«
    Auf halbem Weg zum Waldrand traf Vera Mocanu auf Stepan Mormeth, den Zigeuner. Er stand an einen Baum gelehnt und hatte sie sicherlich schon von weitem kommen sehen. Jetzt trat er schnell drei Schritte aus dem Baumschatten hinaus auf den Weg und stellte sich vor Vera auf.
    Vera Mocanu duckte sich etwas. Sie griff in die Tasche ihres Rockes. Ein kleiner Revolver lag dort, ein Spielzeug nur, aber tödlich, wenn die Kugel zwischen den Augen ins Gehirn fuhr oder neben der Rippe in das Herz.
    »Ei, wer kommt denn da?« fragte Stepan Mormeth breit lächelnd. »Ein Schneehühnchen, wie ich denke?! Ein schwarzes, ruppiges, schönes, wildes Schneehühnchen … Wo willst du hin?«
    »Mein Vater ist Schäfer … ich bringe ihm das Essen für die nächste Woche«, sagte Vera leise. Der Zigeuner lachte. Sein Gebiß leuchtete im schwachen Schneelicht auf.
    »Um diese Zeit noch Herden im Gebirge? Hältst du mich für dumm, mein Gänschen?«
    »Nein … für einen schönen Mann«, sagte Vera Mocanu plötzlich. Stepan Mormeth stutzte. Er schob seine Wintermütze in den Nacken und strich sich über die schwarzen Locken.
    »Wie heißt du?« fragte er leise. Er sah sich um. Irgendwo standen seine Kameraden im Gehölz … sie machten eine Streife. Von Bacau war gemeldet worden, daß eine Gruppe ehemaliger Codreanu-Leute, ›Grünhemden‹ genannt, als stark bewaffnete Partisanenkompanie durch die Karpaten zog und sich dem Gebiet um Tanescu näherte. Der ganze Distrikt war in Alarmbereitschaft und unterwegs, die Gruppe abzufangen.
    »Ich heiße Russanda …«
    »Ein schöner Name …«
    »Und du?«
    »Stepan Mormeth …«
    »Das klingt wie der Name aus einem alten Heldenlied. Mormeth … wie aus türkischen Palästen …« Vera Mocanu trat nahe an Stepan heran. Ihre großen, dunklen Augen sprühten ihn an. Sie drehte sich in den Hüften und wölbte die Brust heraus. »Ist nur dein Name schön?« fragte sie girrend.
    Stepan Mormeth sah sich wieder um. »Komm«, flüsterte er heiß. »Dort oben, in den Tannen, da können wir weitersprechen. Geh voraus … langsam … und warte am Waldrand …«
    Er faßte schnell nach Veras Kopf, zog ihn an sich und küßte sie wild. Sie ließ es geschehen. Im Wald bringe ich ihn um, dachte sie. Dann riß sie sich los und stapfte durch den Schnee weiter zum Gebirge.
    Nach wenigen Schritten hörte sie einen lauten Ruf.
    »Halt!« schrie jemand seitlich von ihr. »Halt! Oder wir schießen! Heb die Hände hoch! Bleib stehen!«
    Durch Vera ging es wie ein Schlag. Es sind noch mehrere, nicht nur dieser Mormeth. Sie wollen in die Felsen … und wenn Kleinhans jetzt am Feuer sitzt und Tee kocht, werden sie den schwachen Feuerschein sehen … und sie werden die Höhle stürmen und keine Gnade kennen … wie jene Soldaten auf der Straße nach Comanesti, die auf hocherhobene Arme feuerten, bis alles bettelnde Leben vernichtet war.
    Sie begann zu laufen … erst langsam, dann schneller, schließlich, so schnell es ihre Beine im hohen Schnee vermochten. Sie wirbelte ihn hinter sich auf, umklammerte mit beiden Händen den wertvollen Sack auf ihrem Rücken und keuchte den Hang hinauf, der schützenden, schwarzen Waldwand entgegen.
    Hinter sich hörte sie neues Schreien. »Halt!« hörte sie. »Halt!« Dann krachte der erste Schuß und pfiff nahe an ihrer Seite vorbei in den Schnee.
    »Bleib stehen, Russanda!« brüllte Stepan Mormeth. »Keiner tut dir etwas! Keiner! Bleib doch stehen, Russanda!«
    Er rannte hinter ihr her, stürzte, raffte sich auf und stürzte dem Mädchen nach, das wie von Sinnen durch den Schnee jagte.
    »Aufhören!« schrie Mormeth seinen Milizkameraden zu.
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