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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klein, verharscht, mit einem hellroten Rand umgeben. Vera tastete sie ab … es war kein Knochen verletzt … aber die Kugel saß noch im Fleisch. Es war kein Ausschuß zu sehen. Sie biß die Zähne zusammen und drückte stärker auf die Wunde. Da fühlte sie unter den Fingern einen harten Gegenstand. Der Schmerz wurde grausam, jagte bis zu ihrem Gehirn und schien an den Ohren und Augen herauszuquellen.
    Vera schwankte im Sitzen und drückte den Kopf ganz fest gegen den rissigen Stamm des Baumes. Nicht ohnmächtig werden, schrie sie sich zu. Nicht umfallen … wenn du jetzt in den Schnee fällst, wirst du nie wieder aufstehen …
    Um sich von dem saugenden Druck der Ohnmacht zu befreien, rieb sie sich die Wangen an der Rinde des Stammes blutig. Der neue Schmerz im Gesicht riß sie wieder empor … sie suchte aus den Taschen des zotteligen Pelzes die letzten Streifen der zerrissenen Wollbluse hervor und verband sich neu. Dann kroch sie wieder unter den schweren Sack, stemmte ihn auf die Schulter, umklammerte ihn mit der rechten Hand und tapste weiter durch die Schluchten und den tiefen Schnee, der Sonne entgegen und jenem Felsen, dessen Spitze wie zwei in den Himmel ragende Finger aussahen …
    Man war sich nicht einig geworden.
    Kleinhans und Bornemann standen auf dem Standpunkt, daß es besser sei, die Höhle sofort zu wechseln und weiterzuziehen, solange man noch gehen konnte, ehe die Miliz sie aufspürte … Haindl und Michael Peters wollten in der Höhle bleiben. Sie glaubten nicht an eine Entdeckung.
    »Angenommen – Vera ist nicht tot, sondern verwundet in die Hände der Miliz geraten!« sagte Kleinhans. Er sprach nüchtern wie immer, auch wenn es ihnen alle bei dem Gedanken an Veras Schicksal im Halse würgte. »Glaubt ihr, daß sie uns nicht verraten wird?«
    »Dös tut die net!« rief der Haindl.
    »Kennt ihr die Methoden der Verhöre? Habt ihr nie davon gehört, wie man die Verstocktesten zum Sprechen bringt?! Eisenharte Männer haben schon gesungen wie die Lerchen … und Vera ist nur eine schwache Frau! Wenn sie wirklich nur verwundet ist, haben wir in spätestens zwei Tagen die Miliz vor der Höhle. So lange wird sie vielleicht aushalten. Aber in diesen zwei Tagen müssen wir schon am anderen Ende der Karpaten sein! Noch schneit es, und unsere Spuren sind in einer halben Stunde unsichtbar … Wir müssen sofort los, Kameraden!«
    »Und wohin?« fragte Michael Peters.
    »Nach Norden!«
    »Da ist der Russe!«
    »Dann nach Westen!«
    »Da sind die Partisanen!«
    »Aber es sind antikommunistische Partisanen!« rief Bornemann.
    »Wenn uns die erwischen, san ma glei hin!« sagte Haindl, dumpf. »Es is alles Scheiße, Leut'! Verrecke tun wir so und so! Dann lieba in dera Höhl'! Und net allein …« Er umklammerte seine Maschinenpistole. »I bleib hier!«
    Kleinhans legte ein Stück Fleisch auf die heiße Ofenplatte. Vorher hatte er sie mit Öl eingeschmiert. Es stank zwar, aber der Geruch des brutzelnden Fleisches verscheuchte den Beigeschmack ranzigen, kochenden Öls. »Gut. Bleiben wir hier! Wie ihr wollt! Aber wenn ich nur einen Laut von der Miliz höre, rühre ich keinen Finger, sondern hau ab!«
    Hans Bornemann hatte draußen vor der Höhle gestanden. Er sah immer noch hinab auf den Weg, den Vera Mocanu gegangen war und auf dem sie nie wieder zurückkehren sollte. Um ein paar Schritte zu gehen, drehte er sich um. Im gleichen Augenblick, nach einem Hinaufschauen zu den rückwärtigen Felsen, lag er im tiefen Schnee und lud die Maschinenpistole durch.
    Haindl, der ihm am nächsten stand, sah plötzlich Bornemann mit einem Satz im Schnee verschwinden. Er fragte nicht lange, sondern knallte sich auch auf den Felsboden. »Alarm!« brüllte er dabei. »Jetzt hau ab, du Idiot!«
    Kleinhans warf das Stück Fleisch von der Ofenplatte in den Schnee und sprang mit ein paar Sätzen neben Bornemann. Michael Peters folgte ihm … er umklammerte das Schnellfeuergewehr, das sie bei dem verlassenen Lager völlig intakt samt einem Kasten Munition gefunden hatten.
    »Wo?« fragte Kleinhans. Bornemann zeigte in die rückwärtige Schlucht. Sie ging steil den Berg hinab und war als Fußweg unbrauchbar. Nur klettern konnte man an diesem Hang.
    »Da? Das wären ja Idioten; wenn sie da 'runterkämen. Das sind ja Schießscheiben für uns …« Kleinhans starrte auf die weißen, zerklüfteten Felsen. »Wo war's denn?«
    »Oben, am Einstieg … Da – da –« Bornemann zeigte aufgeregt auf die Felsen. Auch die anderen sahen es …
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