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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Hört doch auf, ihr Idioten! Es ist doch Russanda … mein Mädchen! Hört doch auf, ihr Hunde! Ihr räudigen Hunde!«
    Er blieb stehen, außer Atem, schwitzend, mit starren, flatternden Augen auf die kleine Gestalt sehend, die den Waldrand erreicht hatte und mit zwei weiten Sprüngen in der Schwärze der Nacht und der Felsen verschwand.
    Über das Schneefeld liefen noch immer schießend und fluchend die anderen Milizsoldaten. Sie waren ausgeschwärmt und griffen den Waldrand an, als gelte es, einen Schützengraben zu erstürmen.
    Stepan Mormeth bückte sich, griff in den Schnee und wischte sich eine Handvoll über das heiße Gesicht. Mit der Zunge leckte er das Schneewasser auf, das ihm über die Lippen rann. Er war glücklich, daß kein Schuß getroffen hatte. Und morgen würde er in den Bergen suchen, um Russanda zu finden.
    Unterdessen lief Vera Mocanu stolpernd und keuchend durch die tiefverschneiten Schluchten. Sie lief in einer falschen Richtung … sie lief entgegengesetzt … bewußt, mit der Berechnung, die Verfolger von der Höhle abzulenken. In einem weiten Bogen wollte sie dann im Morgengrauen zurück zur Höhle kommen … oder erst am nächsten Tag, wenn neuer Schneefall alle Spuren verdeckt hatte.
    Nach einer Stunde blieb sie stehen und warf den Sack in den Schnee. Jetzt erst spürte sie ein Brennen und Stechen im linken Oberarm. Sie griff mit der rechten Hand dorthin und spürte, wie etwas Warmes, Feuchtes die Pelzhaare verklebte.
    Ich bin ja angeschossen worden, staunte sie. Sie haben mich ja getroffen … in den linken Arm …
    Sie riß die Pelzjacke herunter, zerfetzte das Wollhemd und drückte die Finger auf die Wunde. Sie blutete stark, aber es war nur ein Fleischschuß. Er war durch den Sack gegangen und hatte dort seine Durchschlagskraft verloren.
    Mit den Zähnen zerriß sie das Wollhemd in Streifen und verband sich den Oberarm. Dann zog sie den Pelz wieder an, bückte sich, hob mit den Schultern den schweren Sack aus dem Schnee und wanderte weiter durch die felsige Einsamkeit … immer weiter weg von der Höhle, die Verfolger ihrer Spur in das Nichts lockend …
    Als die Morgendämmerung einer fahlen Sonne gewichen war, kam Michael Peters zur Höhle zurück. Sein Gesicht war bleich und verzerrt. Er sah aus, als habe er geweint. Kleinhans und Haindl standen vor dem Eingang, die Maschinenpistolen in den Händen. Vor drei Stunden war Michael Vera entgegengegangen.
    »Nichts«, sagte Peters schwach. Dann schluchzte er plötzlich und lehnte den Kopf an die kalten Felsen. »Ihr habt doch auch das Schießen gehört … Wir sehen Vera nicht wieder. Wir sehen sie nicht wieder …« Er weinte haltlos und schämte sich nicht, daß er es tat.
    Haindl senkte den Kopf. Es würgte auch ihn in der Kehle.
    »Sie war die erste«, sagte er leise. »Wer wird der zweite sein?«
    Alle sahen vor sich in den Schnee. Keiner wagte, den anderen anzusehen, aus Angst, in dessen Augen zu lesen.
    Sieben Stunden irrte Vera Mocanu in den Felsen umher. Sie verwischte die Spur zur Höhle so deutlich, daß selbst ein Wolf sie nicht wiedergefunden hätte. Die ersten Schneeflocken begrüßte Vera mit einem so erlösenden Seufzer, daß sie vor dem Ton ihrer eigenen Stimme erschrak. Sie wartete eine Stunde in einer Mulde, bis der Schnee alle Tritte verwischt hatte.
    Dann ging sie in einem weiten Bogen in die Gegend zurück, in der sie die Höhle vermutete. Sie verließ sich nur auf ihren Spürsinn und auf die wenigen markanten Merkmale, die sich alle eingeprägt hatten, als sie die Höhle ausbauten zum Winterquartier. Die Form der Felsenspitze, die wie zwei hochgestreckte Finger aussah, ein windzerstörtes Kiefernstück auf dem gegenüberliegenden Hang, das die Form eines großen Dreiecks hatte, und drei Felszinnen, die wie Wachen am Eingang des Tales standen.
    Den schweren Sack mit den Lebensmitteln und Kleidungsstücken auf dem Rücken, mit der rechten Hand ihn festklammernd, stapfte sie, weit vornübergebückt, durch den knietiefen Schnee und suchte nach dem Stand der Morgensonne die ungefähre Richtung.
    Der angeschossene linke Arm begann zu brennen. Ein Zittern lief den ganzen Arm entlang bis hinunter zu der Hand und den Fingerspitzen. Es war, als durchjage ein Schüttelfrost nur diesen Arm – der flatterte von der Schulter ab, und sie hatte keine Gewalt mehr über ihn.
    Als die Morgensonne hell durchbrach und der Schnee blauweiß glitzerte, setzte sich Vera an einen Baumstamm und wickelte den Verband ab.
    Die Wunde war
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