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Der letzte Engel (German Edition)

Der letzte Engel (German Edition)

Titel: Der letzte Engel (German Edition)
Autoren: Zoran Drvenkar
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lacht.
    »Mann, ich hatte noch nie eine Knarre in der Hand, aber als ich den Irren die Böschung runterfallen sah, erinnerte ich mich, dass die Leute immer Oh und Ah machen, wenn einer erzählt, er wäre im Schützenverein. Es funktioniert wirklich, der Typ war voll beeindruckt.«
    »Und dann?«
    »Dann bin ich ihn losgeworden.«
    »Du bist ihn losgeworden ?«
    Lars windet sich ein bisschen.
    »Naja, er ist weggeschwommen und ich habe dich zum Auto geschleppt. Alter, du hast geblutet, das war schon nicht mehr schön. Schau mal, ich habe noch lauter Dreck unter den Fingernägeln. Ich konnte dich schlecht ins Krankenhaus bringen, die wären durchgedreht, wenn sie deinen Rücken gesehen hätten. Und stell dir vor, die wollen dir einen Katheter legen und da unten ist nichts. Ich konnte dich auch nicht bei mir zu Hause abliefern, meine Eltern finden so was nicht witzig und Fanni geht so spät nicht mehr ans Telefon. Deswegen bin ich hier gelandet. Außerdem ist Rikes Mutter Krankenschwester und so. Aber das war ein Drama, als ich hier ankam, Mann, das sage ich dir. Rike hatte eben erst von Mottes Tod gehört und dann tanze ich mit einem blutenden Engel an. Irgendwie passte das gut zusammen.«
    »Was passte denn da zusammen?«, muss Esko einfach fragen.
    »Naja, du als Engel und Motte als Engel und Rike, die Motte vermisst.«
    Esko lacht und verzieht sofort das Gesicht vor Schmerzen.
    »Wir müssen Mona finden«, sagt er. »Wir können –«
    »Du kannst erst mal gar nichts machen«, unterbricht ihn Lars. »Wenn du dich bewegst, öffnen sich die Nähte, sagt zumindest Rike. Sie hat dich zusammengeflickt, sie konnte ja schlecht ihre Mutter fragen. Schön ist es nicht geworden, aber du willst ja auch keinen Preis für die tollste Narbe gewinnen, oder?«
    »Nicht wirklich.«
    Esko berührt den Verband und ist froh, die Wunde nicht sehen zu müssen.
    »Und es tut mir leid wegen der Beule.«
    Esko betastet seine Stirn, die Beule ist groß und empfindlich.
    »Ich musste ein paar Vollbremsungen hinlegen. Ich bin bisher nur Scooter gefahren, aber langsam habe ich den Dreh raus. Du bist mir immer wieder vom Rücksitz gerutscht, also habe ich dich irgendwann angeschnallt. Tut es weh? Ich meine, Mann, wieso geht es dir überhaupt schon besser? Macht dir so ein Messer in den Bauch nichts aus? Vielleicht habt ihr Engel ja keine Organe.«
    »Wir haben Organe, wir heilen nur schneller.«
    Esko schaut sich im Zimmer um.
    »Hast du …«
    »… den Rucksack? Klar, keine Sorge, auch die Knarre habe ich noch. Wir finden Mona schon, ihr wird nichts passieren.«
    Esko sieht ihn komisch an.
    »Du klingst plötzlich so selbstbewusst«, sagt er.
    Lars wird rot und steht auf.
    »Der Wandel der Zeit«, sagt er und sieht auf die Uhr. »Rike und ich müssen jetzt los, aber wir sind in zwei Stunden wieder zurück. Rike meint, du musst was essen, weil du so viel Blut verloren hast.«
    »Ich könnte was trinken.«
    Lars reicht ihm den Teebecher, Rike kommt die Treppe runter und schaut ins Zimmer. Sie hat sich in ein Nachtwesen verwandelt und ist von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, ein Schleier hängt ihr ins Gesicht.
    »Wir müssen los«, sagt sie, »sonst verpassen wir den Bus.«
    »Wohin geht es?«, fragt Esko.
    »Mottes Beerdigung.«
    Esko verschluckt sich am Tee und hustet.
    »Es ist Montag«, erklärt Rike. »Du hast ohne Pause durchgeschlafen.«
    Esko versucht, sich aufzurichten, er kann es nicht glauben, dass er einen ganzen Tag nicht bei Bewusstsein war. Wie kann Mona so lange wach bleiben?, fragt er sich und schafft es in die sitzende Position und bereut jede Bewegung.
    »Bleib im Bett, das wird eh langweilig«, sagt Lars.
    »Und was ist, wenn Motte dort auftaucht?«
    »Motte würde nicht zu seiner eigenen Beerdigung gehen«, sagt Rike. »Er fand Beerdigungen noch nie sexy.«
    »Ich glaube, sexy ist das falsche Wort«, sagt Lars.
    »Ich glaube, dein Arsch hängt falsch herum«, sagt Rike und balanciert auf einem Bein, um sich ihre Stiefel anzuziehen.
    »Sollte Motte auftauchen …«, sagt Esko.
    »… hole ich dich, versprochen«, antwortet Lars.
    Esko winkt ihn näher zu sich heran und flüstert:
    »Weiß sie, dass …«
    »Sie weiß alles, was ich weiß«, greift Lars seinen Gedanken auf. »Vor Rike kannst du nichts verbergen. Solange du nicht von Vampiren redest, nimmt sie dich ernst.«
    Esko sieht zu Rike, Rike zwinkert ihm zu.
    »Ich bin cool«, sagt sie.
    »Das habe ich nie angezweifelt«, sagt Esko und lässt sich wieder ins Kissen
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