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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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Grün.
    In ihrer Vision war der Drache nie vorgekommen.
    Sie würden sich alle retten, weil der Drache für sie gestorben war.
     
     
    Sie kannte den Drachen erst seit einem halben Tag. Sie hatte nur ein paar verdrießliche Worte mit ihm gewechselt, aber ohne ihn wäre ihr Traum von Freiheit bloßer Wahn geblieben.
    Seit zwei Jahren hatten die grünen Flügel des Drachen sie in ihrer Verzweiflung getröstet.
    Robi brach in heftiges Schluchzen aus, das sich in Yorschs Klagen mischte.

KAPITEL 22
    H ell lag die Welt im Mondlicht, frischer Wind war aufgekommen und lüftete sie durch.
    Das Kopfweh war verschwunden, Erbrow war wieder imstande zu fliegen.
    Endlich konnte er fort. Schön senkrecht in die Höhe steigen und die Soldaten hinter sich lassen.
    Hierzubleiben wäre zu nichts nutze. Früher oder später würden sie sie alle abschlachten. Lieber früher als später. Warten ist ekelhaft und aufgeschobene Hinrichtungen sind eine Tortur.
    Er, der er ein Drache war, würde in die Bibliothek zurückkehren, wo er, der er ein Drache war, ein paar Jahrhunderte lang leben würde, Ausflüge übers Meer unternehmen und Delfine und Möwen verspeisen. Wenn der Augenblick gekommen war, sein Drachenei auszubrüten, würde er, der er ein Drache war, sich in seiner herrlichen Bibliothek verschanzen, wo goldene Bohnen, rosa Pampelmusen und ein unerschöpflicher Vorrat an Büchern ihn bis zur Geburt seines Nachkommen zerstreuen und unterhalten würden, der, da er ebenfalls ein Drache war, jahrhundertelang Delfine und Möwen verspeisen würde. Und so weiter.
    Weil er ein Drache war und sie nur ein Haufen zerlumpter Menschen. Aber um beim Wegfliegen den Soldaten den Rücken zuzukehren, müsste er über Yorsch, Robi und die anderen hinwegfliegen, sie ein letztes Mal ansehen, während er sie verließ. Na wenn schon! Einsamkeit war seit jeher das Los der Drachen und Verrat für seine Rasse seit jeher eine in Kauf zu nehmende Notwendigkeit. Ein DRACHE schuldete niemandem Treue.
    Erbrow fiel ein, dass sich niemand um sein Neugeborenes kümmern würde.
    Niemand würde ihm das Fliegen beibringen.
    Sein Junges würde verzweifelt und allein sein. Vielleicht würde es in einem der Brände umkommen, die es selbst durch Niesen oder Weinen entfachte oder weil es über den eigenen Schwanz gestolpert war.
    Er erinnerte sich, wie Yorsch ihm das Fliegen beigebracht hatte.
    Er dachte, er würde es nicht über sich bringen, fortzugehen und sie allein zurückzulassen, allein einem ganzen Heer gegenüber. Aus den verschiedenen Schichten seines Gedächtnisses erhob sich lautstark die missbilligende Stimme seiner Ahnen und Urahnen, weil er, ein Drache, daran zu denken wagte, sein Leben für irgendwelche dahergelaufenen Geschöpfe aufs Spiel zu setzen, die doch nichts als ein Haufen Bettler waren.
    Er war ein Drache. Der letzte Drache. Der Herr der Schöpfung. Ein Drache kämpft für nichts außer sich selbst, denn es gibt niemanden, der auch nur annähernd so wertvoll wäre wie er. Er musste gehen. Er musste sie verlassen und sich selbst retten.
    Wenn er jetzt ging, würde er weiterleben. Ein sehr langes Leben in verdrießlicher, vollständiger Einsamkeit. Ein kleiner Drache würde geboren werden, der ebenfalls in vollständiger, verdrießlicher Einsamkeit leben würde, vorausgesetzt dass es ihm in irgendeiner Weise gelang, seine trostlose, leere Kindheit zu überleben. Noch erbärmlicher als ein Phönix würde er sein.
    Er überlegte sich, dass es keine Drachen mehr gab, weil sie aufgrund von Einsamkeit ausgestorben waren.
    Er überlegte sich, dass nicht die Dinge wichtig sind, sondern der Sinn, den wir ihnen geben. Früher oder später erwartet alle der Tod. Wichtig ist nicht, den Tod hinauszuschieben, sondern ihm einen Sinn zu geben.
    Im Dunkeln schimmerten Yorschs Schwert und Robis Krone silbern im Mondlicht. Erbrow überlegte sich, dass er in die Sagenwelt eingehen würde. Noch nach Jahrhunderten würden die Barden ihn besingen, ihn, den letzten Drachen, der einen großen Elfenkrieger und eine kleine Lumpenkönigin ihrer Bestimmung zugeführt hatte, der dafür gesorgt hatte, dass sie zu Gründern eines Ortes wurden, an dem man frei sein konnte.
    Der große Drache erhob sich zum Flug und sein Flug brachte die Rettung. Eine enorme Schlammlawine ging los, die die Felsschlucht mit einem riesigen, rutschigen und unübersteigbaren Erdwall abschloss, aber indem er das tat, gab er Brust und Bauch preis, seine verwundbare Stelle, wo die Pfeile nicht wie Erbsen
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