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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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schloss die Augen, alles wurde blau. Vor dem leuchtenden Meer sah sie eine Reihe kleiner Gestalten vorüberziehen. Da waren Yorsch, Cala, Creschio und Moron, der große, schiefe Mann, die kleine, krumme Frau... Alle waren da. Sie würden es schaffen. Alle.
    Die beiden konnten es schaffen, sie wussten bloß nicht, wie. Sie mussten schnell handeln. In ihren Reihen ging die Verzweiflung um wie eine Schlange in einem Mäuseschwarm, und wie eine Schlange im Mäuseschwarm verschlang sie alles, was ihr in den Weg kam. Weinen, Schreie und Flüche wechselten einander ab. Jeden Moment konnte Panik ausbrechen, alle würden fliehen und sich in der Ebene zerstreuen, leichte und erbärmliche Beute für die bewaffneten Reiter, wie Frösche unter einem Geierschwarm.
    Gelassen ergriff Robi das Wort: »Du kannst fliegen«, sagte sie zum Drachen, »und du spuckst Feuer und er hat ein unbesiegbares Schwert. Ihr werdet es bestimmt schaffen.«
    »Sein Schwert ist nicht unbesiegbar. Ich will ja nicht wie ein pingeliger Kleinkrämer wirken, der sich bei den unbedeutendsten Nebensächlichkeiten aufhält, aber keiner von uns beiden ist unverwundbar. Er ist schon verletzt, und meine anteroinferioren Schuppen, die am Bauch unten, meine ich, sind... ähem... für Pfeile etwas zart. Ich spucke Feuer aus meinen Pyrophor-Drüsen, aber die sind nicht unerschöpflich. Und jetzt hatte ich ja gerade den... den...«
    »Schluckauf vom Bier?«, kam Robi ihm zu Hilfe.
    »Sagen wir mal so, ich bin nicht in Höchstform«, entgegnete der Drache knapp, »ich kann euch ein oder zwei Reiter verkohlen, vorausgesetzt, der Krieger hier lässt mich gewähren, aber da sind immer noch genügend übrig, um uns begreiflich zu machen, dass sie das gar nicht lustig finden.«
    »Du kannst ihnen Angst einjagen«, regte Robi an, »sie wissen nicht, dass du... dass du... ausgepumpt bist.«
    »Erschöpft.«
    »Erschöpft, genau. Sie wissen es nicht, und wenn du keinen röstest, wird jeder Angst haben, dass es gleich ihn treffen könnte, und so werden sich alle eher zurückhalten. Schaut mal, es ist gar nicht so schwer. Der Drache lenkt sie auf dieser Seite ab, und wir fliehen in Richtung Gebirgsschlucht. Ein paar werden uns angreifen, aber nur wenige, Yorsch wird es schaffen, er hat es in Daligar mit einem ganzen Haufen Soldaten aufgenommen.«
    »Und dann? Ich kann sie doch nicht ewig ablenken! Früher oder später wird es ihnen gelingen, in die Schlucht einzudringen. Und der Wasserfall? Die Schlucht verengt sich und läuft auf einen schwindelerregend hohen Wasserfall zu, erinnert ihr euch nicht? Der heißt die ›Schreckensklamm des Dogon‹ und sie ist unüberwindlich. Die Stufen zur Bibliothek hinauf sind von einem Erdrutsch verschüttet, das haben wir am Tag unseres ersten Fluges gesehen.«
    »Der Wasserfall ist nicht unüberwindlich, die Einwohner von Arstrid sind da durchgekommen und wir kommen auch durch.«
    »Gut«, sagte der Drache, »ihr kommt also durch. Statt hier niedergemetzelt zu werden, werdet ihr dann an irgendeinem Strand niedergemetzelt.«
    Langes Schweigen trat ein. Robi verspürte ein Gefühl im oberen Bauch, das nicht Hunger war, sondern Angst. Sie hatte gelernt, ihren Visionen zu trauen, aber sie wusste, dass sie nicht vollständig waren. Vielleicht würden sie alle das blaue Meer erreichen, und das war es, was sie vor sich sah, aber dann würden die Soldaten des Richters kommen, und das Blau würde sich hellrot oder sehr dunkelrosa färben. Sie fasste sich wieder. Das Meer war blau und so blieb es auch. Hell funkelte es in der Sonne.
    »Wir kommen durch und die nicht«, rief sie voller Zuversicht, »weil wir schlau sind und sie dumm. Wir fliehen, um unser Leben zu retten und leben zu können, sie führen nur Befehle aus. Irgendetwas wird uns einfallen, was sie nicht wissen. Jetzt. Sie haben Mäntel und Rüstungen, der Regen behindert sie mehr als uns. Jetzt! Der Morast ist für ihre Pferde schlimmer als für unsere Füße. Jetzt!«
    »Wirklich?«, fragte Cala, die pitschnass war und im Schlamm lag, weil sie eben ausgerutscht war. »Ist der Regen für sie wirklich schlimmer als für uns...? Bist du sicher...? Dann sind wir also noch nicht so gut wie tot...? Wir können es noch schaffen...?«
    Robi gab keine Antwort.
    »Jetzt!«, schrie sie zum letzten Mal dem Drachen und dem Elfen zu. Dann drehte sie sich um und sah ihr Elendsheer an, das vom Regen durchweicht war. Es fiel ihr ein, sie könne auf den Rücken von Fleck springen, aber die drei kleinen
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