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Der letzte Bissen

Der letzte Bissen

Titel: Der letzte Bissen
Autoren: Leo P. Ard
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nächsten Regierungserklärung die Fortschritte preisen, die in der Volksgesundheit erzielt worden waren, und einen Entwurf zur Verschärfung der Prohibition vorlegen. Notorische Fleischdealer sollten nach ihrer Haftentlassung in psychiatrische Anstalten überwiesen werden, die Propagierung von Fleischkonsum in Bild und Schrift sollte mit Gefängnis bestraft werden. Vier Jahre nach Verkündung des Fleischverbots sollte eine schärfere Gangart eingelegt werden.
    Die Kanzlerin wollte deshalb mit Fakten über die Fleischmafia gefüttert werden. Das Innenministerium musste zuarbeiten und Eberwein wandte sich folgerichtig an das Dezernat F4, Sonderkommission Fleisch.
    Eberwein nickte Sarah zu und sie setzte ihren Vortrag fort. »Die guten Verbindungen nach Russland nutzt Wollweber, wie gesagt, heute noch und schafft über Schleuserbanden vorwiegend Rind- und Schweinefleisch nach Deutschland. Zum Teil portionsweise verpackt, manchmal am Stück. Durch die verbesserten Grenzkontrollen der letzten Wochen hat der Zoll Wollweber erheblichen Schaden zufügen können. Fleisch mit einem Gesamtgewicht von einhundertsiebzig Tonnen ist beschlagnahmt und vernichtet worden. Wir müssen damit rechnen, dass Wollweber Gegenmaßnahmen ergreifen wird. Sein Ruf hat in der Szene erheblich gelitten.«
    »Warum können Sie ihn nicht festnageln?«, wollte Eberwein wissen. »Warum läuft der Mann immer noch frei herum?«
    »Weil wir nichts Konkretes, nichts Gerichtsverwertbares gegen ihn in der Hand haben, jede Menge Indizien, aber keine Beweise«, sagte Hinrichs, bevor Sarah antworten konnte. »Sobald Wollweber mitbekommt, dass wir gegen ihn ermitteln, schickt er uns einen Haufen Anwälte auf den Hals. Der Mann ist ein Fuchs.«
    »Was ist mit V-Leuten?« Eberwein sah Sarah an.
    Wieder kam ihr Hinrichs zuvor. »Keine Chance. Jeder V-Mann ist bisher aufgeflogen.«
    Sarah war es leid, sich von ihrem Chef die Butter vom Brot nehmen zu lassen, und drückte auf die Fernbedienung.
    Ein Foto von Boris Wollweber erschien auf der Leinwand. Er war gerade dabei, seinen Vater aus dem Rollstuhl zu heben. »Das ist Wollwebers Sohn Boris. Dreiunddreißig Jahre alt, gelernter Betriebswirt. Unangreifbar wie sein Vater.«
    Hinrichs nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. »Nicht mal Weibergeschichten.«
    Eberwein lehnte sich zurück. »Warum sitzt Günther Wollweber im Rollstuhl?«
    »Schlaganfall nach einer Fleischvergiftung«, sagte Sarah schnell. »Wir vermuten, dass Wollweber Opfer eines Anschlags geworden ist.«
    Eberwein warf ein Kaugummi ein und offerierte die Packung. Sarah und Hinrichs lehnten dankend ab. »Klingt spannend.«
    »Ist spannend«, sagte Sarah. »Seit fast einem Jahr hat Wollweber Konkurrenz bekommen. Der Bergmann drängt mit Billigfleisch auf den Markt.«
    »Der Bergmann?«
    »Der Spitzname für den Chef einer Organisation, die vom Ruhrgebiet aus operiert. In dem weit verzweigten Stollennetz stillgelegter Zechen - so vermuten wir - hat der Bergmann unterirdische Hühnerfarmen und Fleischfabriken eingerichtet und versorgt von dort aus den Markt.«
    Sarah strich über ihr Kostüm und ließ den Projektor ein neues Foto auf die Leinwand werfen. Es zeigte einen Anzugmenschen mit Glatze in mittlerem Alter.
    Eberwein runzelte die Stirn. »Nach einem Bergmann sieht der nicht aus.«
    »Das ist Carsten Harder, der Eigentümer einer renommierten Anwaltskanzlei, die in Dortmund und Berlin tätig ist. Vom Bergmann weiß man, dass er zwischen vierzig und fünfzig und in Bochum aufgewachsen ist. Das trifft auf Harder zu. Und es gibt Hinweise darauf, dass Harder im Fleischgeschäft ist. Er steht unter Beobachtung. Bisher reicht es aber auch bei Harder nicht für eine Anklage.«
    Sarah rief im Schnelldurchgang ein paar Tatortfotos auf. »Seit einigen Wochen terrorisieren sich der Bergmann und Wollweber gegenseitig: Überfälle auf unterirdische Hähnchenbatterien, ein illegaler Dönerkebab wurde gesprengt, Frikadellen-Transporte geplündert. Die Presse hat diese Vorgänge mit meterhohen Schlagzeilen begleitet.«
    Sarah war mit ihrem Vortrag am Ende und schaltete das Licht wieder an. Sie reichte Eberwein eine Mappe. »Ich habe das alles schriftlich zusammengefasst.«
    Eberwein hielt ihre Hand fest, einen Augenblick zu lang für einen kollegialen Händedruck. »Frau Kommissarin, das haben Sie ganz toll gemacht. Danke, auch im Namen des Innenministers und der Kanzlerin.«
    Er schenkte ihr ein Lächeln, das ihre Strumpfhose zum Knistern brachte.
    »Es hat
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