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DER LETZTE BESUCHER

DER LETZTE BESUCHER

Titel: DER LETZTE BESUCHER
Autoren: Chris Böhm
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Vermutlich von dem Freund, der die Tote g e funden hatte.   
    Der Gerichtsmediziner hatte seine Arbeit bereits b e endet. Ein Mitarbeiter der Spurensicherung im weißen Overall war gerade damit beschäftigt, ein dünnes Rie m chen, das offenbar zu der zweiten Sandale gehörte, vo r sichtig in einen kleinen Plastikbeutel zu verpacken. Von der Sandale selbst ke i ne Spur. Ein kleiner offener Sekretär in der Ecke, dessen Schu b laden herausgezogen waren . Papiere, Notizzettel und Visitenkarten lagen lose verstreut d a vor.
    Aus dem Augenwinkel registrierte Becker, dass der ´Junge ´, wie er seinen neuen Assistenten in s geheim nannte, unbeweglich vor der Toten stand. Ein bis s chen blass um die Nase sah er aus. Nur sein Adamsapfel b e wegte sich rhythmisch auf und nieder. Hatte wohl noch nicht viele Leichen gesehen. Da musste er jetzt du rch. Dabei sah sie doch noch ganz manierlich aus. Wenig Blut. Bis auf die Platzwunde, das zugeschwollene Auge und die blaurote Ve r färbung am Hals keine weiteren erkennbaren Zeichen von Gewalt an ihrem Körper. Sie war vollständig bekleidet, es gab keine äußeren Anzeichen einer Ve r gewaltigung. Er schmunzelte in sich hinein: Z um Üben ger a de richtig ! Laut sagte er dann:  
    „An die Arbeit, Ralf. Bitte befragen Sie alle Hausb e wohner. Wer kannte die Tote näher , hat möglicherweise etwas U n gewöhnliches bemerkt oder gehört. Sie wissen schon, das ganze Programm … Ich kümmere mich de r weil um die Papiere im Sekretär, um Hinweise auf Ve r wandte, Freunde, B e kannte.“
    Er blickte wieder auf die Tote und beugte sich zu ihr hinunter. „Was haben wir denn da?“
    Offen bar hatten die Kollegen etwas übersehen, denn als er sich wieder aufrichtete, hielt er eine zerknitterte Visite n karte in der Hand, die sie in der geballten rechten Faust g e halten hatte. Becker warf einen Blick darauf und schüttelte den Kopf. Es war ihre eigene. Es wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn sie ihm die Person des Täters in G e stalt seiner Visitenkarte – p ost mortem sozusagen – a uf einem silbernen Ta b lett präsentiert hätte. Vorsichtig ließ er die Karte in eine kleine Plastikhülle fallen. Er gab sie seinem Assistenten: „Lassen Sie das von der Spusi unte r suchen.“ 
    Zwei Stunden später waren die Spurensicherer fertig und die Leiche auf dem Weg in die Gerichtsmedizin. Becker nahm ein schwarzes Büchlein mit Adressen und Telefo n nummern, das er neben dem Sekretär auf dem Boden g e funden hatte, an sich. Außerdem einen Akte n ordner mit Bankunterlagen, Versicherungspolicen und persönlichen Papieren, alles ordentlich abgeheftet. Ganz unten eine Heirats- und eine Schei du ngsurkunde. Kein A n zeichen, dass jemand den Ordner du rchwühlt hatte. Er ve r staute alles in einem Karton, sah sich noch einmal um und schaute nac h denklich auf die Markierungen am Boden . Dann verließ er ebenfalls die Wohnung. Ralf war sicher noch eine Weile mit den Hausbewohnern und Nachbarn beschäftigt, aber er wollte keine Zeit ve r lieren.
    Mord oder vielleicht auch Totschlag, der Täter oder die Täterin hatte vermutlich ein sehr persönliches Motiv g e habt. Raubmord schloss Becker zunächst einmal aus, denn offe n sichtlich fehlten keine Wertgege n stände. Er hatte sich davon überzeugt, dass sich auch Sabines Gel d börse noch in ihrer Handtasche befand mit Bargeld und ein paar Kredi t karten. Einen Safe gab es nicht. Das Motiv war der Schlüssel zur Tat . Danach musste er suchen, denn ohne Motiv kein Täter. Er musste einfach mehr über das Opfer e r fahren.
    Zurück in seinem Büro hätte sich Becker am liebsten sofort die Unterlagen vorgenommen , die er aus Sabines Wohnung mitgenommen hatte . Aber ein Blick auf seine Uhr verhinderte das. Lieber Himmel, so spät schon ! Er hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit ve r gangen war. So ging es ihm immer, wenn er an einem neuen Fall arbeitete und erst ei n mal Witterung au f genommen hatte. Wie ein Spürhund auf die Fährte, so konzentrierte er sich immer wieder auf jedes noch so winzige Indiz, jeden noch so kleinen Hinweis und ve r gaß darüber alles um sich herum. Er war jetzt seit sechzehn Stunden auf den Beinen und spürte plötzlich bleierne Müdigkeit. Ach was, morgen war auch noch ein Tag. Um diese Zeit konnte er ohnehin niemanden mehr e r reichen. Er räumte seine Sachen z u sammen, löschte das Licht und schloss die Bürotür sor g fältig hinter sich ab. Während er auf den Fahrstuhl wartete, musste er unwillkü r lich
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