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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Giusi Marchetta
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schnorren, um die Streber zu warnen, dass in der nächsten Stunde die Kacke am Dampfen ist, wenn sie die Mathematikhausaufgabe nicht herausrücken. Alles wollen sie in der Pause erledigen, dafür reichen die fünfzehn Minuten nie aus.
    Ich beobachte die Kollegen, die an den Wänden lehnen oder sich zusammenfinden, um ein paar Worte zu wechseln. Während der Pause sind wir außen vor, wie bei einem Fest, zu dem man uns nicht eingeladen hat. Miranda geht durch die Gänge und droht, Zigaretten und allzu laute Mobiltelefone einzukassieren. Die Jugendlichen sehen und hören sie nicht. So funktioniert es.
    Während der Pause leeren sich die Klassen und verlieren an Bedeutung. Die Schule wird zur Schule von Dingen, die mit den Büchern nichts zu tun haben und nichts zu tun haben wollen. So war es am Tito Livio, so ist es am Bernini, so ist es überall.
    »War es einigermaßen ok?«, fragt mich Loredana und legt mir eine Hand auf die Schulter.
    »Ja, für heute schon.«
    Im Flur dreht sich Riccardi mit ausgebreiteten Armen um sich selbst, wie ein Hubschrauber. Als er stehen bleibt, nimmt er den Kopf in beide Hände und lässt dann einen Schrei los, der alles andere übertönt, und einen Augenblick lang ist es, als existiere nur er und als seien wir Ölgötzen, hingestellt, um ihm zuzuschauen und vor ihm Angst zu haben.
 
    Die Sekretärin, die gerade mit den Akten beschäftigt ist, hat ein kantiges Gesicht und lange Finger, mit denen sie mir zeigt, wo ich unterschreiben muss.
    »Hier. Hier und hier. Vergessen Sie nicht, mir den Füller zurückzugeben.«
    Ich verspreche es.
    Das ist der dritte Dienstantritt, den ich unterschreibe. Der erste als Inklusionslehrerin.
    »Da bist du ja.«
    Die Belcari hat zwischen ihren Augenbrauen die übliche Falte, die ihr die Stirn durchfurcht.
    »Wie ist es gelaufen?«
    »Sehr gut.«
    Sie wartet.
    »Das heißt, ich dachte, es würde schlimmer werden. Wirklich. Doch es ging. Natürlich hat er mich noch nicht akzeptiert, aber warum sollte er auch? Er kennt mich nicht. Immerhin hat er mit mir gesprochen, das ist ein gutes Zeichen, oder? Es wird also irgendwie gehen.«
    Sie nickt.
    »Ich freue mich, aber hör mal«, sie tritt näher und senkt die Stimme, »wenn du einen Rückzieher machen möchtest, kannst du es mir ruhig sagen. Daran wäre nichts Schlimmes.«
    Dann verabschiedet sie sich – sie weiß etwas, das ich nicht weiß, über Riccardi oder über mich.
 
    Es beginnt immer mit einem Schmerz in der Brust, einem Schwindelgefühl, das stärker und stärker wird, sodass ich überzeugt bin: Diesmal ist es so weit, ich werde sterben, wenn ich nicht sofort die Augen öffne. Dann nehmen die Kälteschauer, die mich erzittern lassen, die langgestreckte Form von Schlangen an.
    Es kommt vor, dass ich sie über das Kopfkissen kriechen höre. Oder unter dem Bett: Sie winden sich um ein Bein des Bettgestells oder gleiten über die Schuhe, kringeln sich zusammen.
    Ich setze mich dann auf und knipse das Licht an. Ich warte, bis ich ganz wach bin, und rede mir ein, dass es im Zimmer genug Luft gibt, auch wenn es mir nicht so vorkommt.
    Es wird vorübergehen.
    Es ist nur eine Sinnestäuschung. Nichts kriecht, nichts beißt, nichts würgt mich. Ich bin allein, bin in meinem Zimmer, es ist zwei Uhr nachts.
    Ich versuche aufzustehen, ohne Lärm zu machen und ohne über die noch unausgepackten Kartons zu stolpern. Der Umzug ging hastig vonstatten, was jedoch nicht die Unordnung rechtfertigt, die mich umgibt: Das Chaos, dasin meinem alten Zimmer herrschte, ist mit mir umgezogen und weigert sich, sich beseitigen zu lassen. Schachteln voller Theaterzettel, Lämpchen, im Laufe der Zeit gesammelter Nippesfigürchen, die jedem Versuch, sie wieder aufzustellen, Widerstand leisten.
    Nach der Trennung von Gianni habe ich festgestellt, wie nachtragend Gegenstände sein können. Mit den Jahren häufen sie Bedeutungsschichten an, die weit über ihren Gebrauchswert hinausgehen, in Jahren, in denen wir sie kaum wahrnehmen, nachdem irgendjemand sie gekauft, benutzt, in eine Ecke gestellt hat. Dann gehören sie plötzlich uns und damit basta. Aus jenen Jahren haften ihnen Spuren an, durch die sie uns beim bloßen Anblick verletzen. Es ist eine Art, sich wichtig zu machen. Um zu beweisen, dass sie alles sind, was bleibt.
    Ich tappe im dunklen Zimmer umher.
    »Es ist klein, und das Bett nimmt viel zu viel Platz ein«, sagte Margherita bei meiner Ankunft. »Und der Schrank ist zwar riesig, kann aber nicht allzu viel fassen, der
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