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Der Leberwurst-Mörder

Der Leberwurst-Mörder

Titel: Der Leberwurst-Mörder
Autoren: Jo Jansen
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gelandet. Diese beiden hatten wir vorher nicht gelesen, oder?«
    »Das wäre ja ein Tag nach dem Mord gewesen«, stellt Mara fest. »Hm, passt irgendwie gar nicht.«
    »Ich wollte sowieso noch mit den Hunden laufen. Wie wär’s, wenn wir dabei Karoline einen Besuch abstatten?«
    Jule nickt. »Einverstanden.«
     
    Die Stadt im Nebel wirkt seltsam unwirklich – vertraut und doch fremd. Straßen scheinen aus dem Nichts zu kommen und ins Nirgendwo zu führen. Die Dächer der Häuser verschwinden im grauen Gewaber. Gerüche steigen mir intensiver als sonst in die Nase, so als wollten sie ausgleichen, was der Nebel dem Auge verbirgt. Mara führt Flocke und Nino an der Leine, beide bestimmen das Tempo, sodass es ein gemütlicher Spaziergang wird. Niemand würde vermuten, dass Nino blind ist, so sicher trottet er neben Flocke her. Meine Gedanken schlingern im Kopf hin und her. Ohne groß auf die Umgebung zu achten, laufe ich so neben Jule her und bin ganz erstaunt, als mir wieder dieser Leberwurstduft in die Nase steigt.
    Tatsächlich gehen wir gerade an der Metzgerei vorbei, die als einziges Geschäft der Straße um diese Zeit geschlossen ist. Was mag nur mit den ganzen schönen Leberwürsten, mit dem Schinken und den Wienerle passieren, während der Metzger bei der Polizei in der Zelle sitzt? Ich wäre ja sofort bereit, sie zu retten, die armen Würstchen. Doch leider fragt mich niemand.
     
    Karoline scheint über unseren Besuch sehr erfreut zu sein.
    »Kommt herein, kommt herein! Setzt euch doch. Ach, gleich drei so liebe Hundis in meiner Galerie. So lieber Besuch.« Dabei schüttelt sie immer wieder den Kopf, sodass die kleinen Löckchen wackeln.
    Warum ist sie so nervös?
    Geschäftig wuselt sie zwischen der Galerie und der kleinen Küche hin und her, kocht Pfefferminztee, bringt Wassernäpfe und Leckerlis für uns Hunde, stellt ihre selbst gebackenen Kekse und die Tassen mit den Pfauen auf den Tisch. Sie sieht heute besonders klein und zerbrechlich aus, als sei sie über Nacht geschrumpft. In ihrem grauen Wollkostüm wirkt sie verloren. Man könnte meinen, es sei ihr eine Nummer zu groß. Die aufgestickten Dackel sollten mich eigentlich erheitern, denn erstens erinnern sie mich an Flocke, meinen krummbeinigen, heldenhaften Freund, und zweitens haben nach all den anderen Tieren nun endlich einmal Hunde die Ehre, Karolines Kleidung zu zieren.
    »Bleibt ihr nur sitzen«, drückt die alte Dame Jule, die helfen will, auf das Sofa zurück.
    Später, beim Tee, als Karoline endlich mit am Tisch sitzt, kommt das Gespräch unweigerlich auf die Verhaftung ihres Neffen.
    »Ach, ich bin so froh, dass alles vorbei ist.«
    Karolines Mund lächelt, ihre Augen allerdings nicht. Dabei schaut sie die beiden Freundinnen an, als erwarte sie deren Zustimmung. Die kommt aber nicht.
    Stattdessen räuspert Jule sich kurz und fragt dann gerade heraus: »Karoline, hast du gewusst, dass Liane einen Tag, nachdem sie ermordet wurde, eigentlich nach Ägypten fliegen wollte?«
    »Was? Ähm, nein, natürlich nicht. Wie kommst du denn darauf?« Fast ängstlich wandert der Blick der alten Dame zwischen Mara und Jule hin und her.
Ihr glaubt mir doch?,
betteln ihre Augen. Doch sie lügt, das spüre ich, und Jule scheint das auch zu wissen.
    »Karoline.« Jule spricht mit der gleichen sanften Stimme, mit der sie mir manchmal erklärt, dass ich etwas falsch gemacht habe. »Wir haben in Lianes E-Mails das Flugticket gefunden. Sie wollte nach Luxor fliegen.«
    Karoline schüttelt den Kopf wie ein störrisches Kind. »Nein, nein, das glaube ich nicht!«
    »Und dann war da noch eine zweite E-Mail«, ergänzt Mara, »von einem Immobilienbüro in Luxor, das sich für die Anzahlung bedankt. Liane hat dort ein Häuschen gemietet, für ein ganzes Jahr.«
    »Karoline, das musst du doch gewusst haben!« Jule schaut der alten Dame eindringlich in die Augen. Die hält ihrem Blick nicht stand und sieht hinab auf ihre Hände, die sie schon die ganze Zeit nervös in ihrem Schoß knetet.
     
    Ganz leise beginnt sie zu sprechen, immer noch mit auf die Hände gesenktem Blick. »Wie eine Tochter habe ich sie behandelt. Fast umsonst hat sie hier gewohnt, nach meinem Tod hätte dieses Haus ihr ganz allein gehört. Dafür sollte Liane sich doch nur um die Katzen kümmern und um mich, wenn ich sie brauchte.« Karoline schluchzt, aber es ist ein trotziges Schluchzen. »War das denn zu viel verlangt?«
    Niemand antwortet ihr, Mara und Jule warten einfach nur gebannt auf den
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