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Der Leberwurst-Mörder

Der Leberwurst-Mörder

Titel: Der Leberwurst-Mörder
Autoren: Jo Jansen
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dass der Katzengeruch von dem Karton ausgeht? Ich will Jule warnen und belle laut und kräftig, doch sie ruft wieder: »Aus, Rika! Sitz!«
    Enttäuscht gebe ich vorerst Ruhe und setze mich. Schade, dass Jule nur manchmal auf mich hört. Ich höre doch immer auf sie. Na ja, fast immer jedenfalls.
    Jule bückt sich, hebt den Karton auf und wundert sich. Obenauf ist eine rote Rose mit Klebeband befestigt. Blumen riechen manchmal auch nach Katze, jedenfalls in den Blumenbeeten des Stadtparks. Darum schöpfe ich wieder etwas Hoffnung. Doch dann öffnet Jule vorsichtig den Deckel des Kartons. Ich mache immer noch brav Sitz, obwohl es schwerfällt, denn so kann ich nicht sehen, was sich in dem Karton befindet. Neugierig blicke ich Jule ins Gesicht und versuche zu erraten, was sie sieht. Zunächst runzelt sie die Stirn. Das heißt nichts Gutes. Dann schüttelt sie mehrmals den Kopf. Sie scheint etwas nicht zu verstehen. Zuletzt ruft sie entzückt: »Oh, wie süß!«
    Süß? Nun lacht sie so sehr, dass um ihre Augen diese kleinen lustigen Fältchen tanzen, und dabei schaut sie mich strahlend an. Also doch etwas Gutes? Bitte, bitte, hechele ich leise vor mich hin, es soll etwas Gutes drin sein. Am liebsten die Würstchen vom Metzger Winter, doch die würden wohl kaum nach Katze riechen, oder?
    Jule schließt die Haustür auf, streift ihre Schuhe ab und schlüpft in ihre bequemen Hauspantoffeln. Warum löst sie die Leine nicht von meinem Halsband?
Hallo?
Ich sitze hier immer noch ganz brav auf der Treppenstufe. Hat sie mich vergessen? Spätestens jetzt sollte sie mich losmachen. Aber nein, sie schlingt sich meine Leine um ihr rechtes Handgelenk und trägt ganz vorsichtig mit der linken Hand den Karton vor sich her. So gehen wir zusammen in die Küche, wo Jule den Karton oben auf die Küchentheke stellt. Nun scheint es spannend zu werden. Ich stelle mich auf die Hinterbeine, um besser sehen zu können, und dann passiert es auch schon. Jule hebt erneut den Deckel vom Karton. Darin liegt eine Katze! Und Katzen sind alles, aber sicher nicht süß!
    Katzen stören ein glückliches Hundeleben. Erstens, weil sie nach Katze riechen. Zweitens, weil sie sich wie Katzen benehmen. Drittens, und das ist das Allerschlimmste, weil sie die Menschen dazu bringen, sie niedlich oder süß zu finden und mit ihnen mehr zu schmusen als mit uns Hunden. Und nun ist eine Katze in unserem Haus! Jule hebt das kleine Biest hoch, und automatisch springe ich und will danach schnappen. Autsch! Das tut weh! Ohne, dass ich es bemerkt habe, hat Jule meine Leine an der Reling des Küchentresens befestigt, dort, wo immer die Geschirrhandtücher zum Trocknen hängen. Ich kann die Katze nicht erreichen und muss hilflos mit ansehen, wie Jule ihr sanft über das goldgetigerte Fell streicht und flüstert: »Du bist so süß ... Was mach ich nur mit dir?«
    Und dann beugt sie sich doch tatsächlich mit dem Katzentier auf dem Arm zu mir herunter und sagt: »Schau mal, Rika, könntet ihr zwei euch vielleicht vertragen?«
    Was? Ich? Mich mit einer Katze vertragen? Niemals! Katzen sind dazu da, gejagt zu werden, und ich bin ein Jagdhund.
    Doch Jule schaut mich mit ihren großen, treuen Menschenaugen so lieb an, und ich weiß genau, diesem Blick kann ich einfach nicht widerstehen. Aber ein bisschen knurren werde ich ja wohl dürfen?
    »Ganz ruhig«, höre ich Jule mit sanfter Stimme sagen. Zu mir? Zur Katze? Oder etwa zu uns beiden?
    Jetzt schaue ich mir die Katze doch etwas genauer an. Sie ist klein. Sehr klein. Ein Katzenkind. Sollte sie nicht bei ihrer Mama sein? Oh je, ich erinnere mich an meine eigene früheste Kindheit, als ich Straßenhund in Rumänien war, und plötzlich tut mir dieses Kätzchen leid. Es kann ja nichts dafür, dass es als Katze auf diese Welt kam. Sicher vermisst es seine Mama. Es macht so komische Geräusche. Ob es sich besser fühlt, wenn ich es ein bisschen abschlecke? Wäre es mein Hundekind, würde ich das jetzt tun. Ich bin verwirrt. Solche Gefühle für eine Katze kenne ich gar nicht von mir.
    Und was macht Jule? Sie beobachtet mich die ganze Zeit, lächelt und hat schon wieder diese lustigen Fältchen um die Augen. Kann sie etwa meine Gedanken lesen? Vorsichtig hält sie mir das Kätzchen genau vor die Schnauze, jeden Moment bereit, es wieder zurückzuziehen. Das Kleine macht immer noch dieses wimmernde Geräusch, und ich kann nicht anders, ich muss es einfach abschlecken. Hm ... es schmeckt so, wie es riecht, nämlich nach Katze, und doch
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