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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten
Autoren: Katherine Pancol
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sich so schwarz, so schwerfällig, so hässlich ausgesucht?, begehrte sie auf und erwiderte: »Er ist MEIN Hund, und ich will keinen anderen!« Selbst wenn er keinen Schwanz hat, ein zerfetztes Ohr, ein trübes Auge, selbst wenn er an manchen Stellen kein Fell mehr hat, wenn er mit Narben übersät ist, einen kurzen Hals hat und sein Kopf tief in den Schultern steckt. Ich kenne keinen schöneren Hund. Voller Genugtuung darüber, so energisch verteidigt worden zu sein, stolzierte Du Guesclin um sie herum, und Joséphine rief: »Komm, Du Guesclin, diese Leute haben doch keine Ahnung.«
    So sollte es immer sein, wenn man liebt. Bedingungslos. Ohne zu werten. Ohne Kriterien aufzustellen und Vorlieben zu haben.
    Ich war nicht gut genug, nicht wahr? Und ich bin immer noch nicht gut genug. Nicht genug, nicht genug, nicht genug … Diese Leier hat meine Kindheit zerstört, hat mein Leben als erwachsene Frau zerstört, und jetzt will sie auch noch meine Liebe zerstören.
    Kurz nach Iris’ Tod hatte sie Henriette angerufen. Sie hatte sie gefragt, ob sie ein paar Kinderfotos von ihr und Iris heraussuchen könne, die sie einrahmen wollte. Henriette hatte erwidert, dass ihre Fotos im Keller seien und dass sie keine Zeit habe, nach unten zu gehen und sie durchzusehen.
    »Außerdem, Joséphine, denke ich, es wäre besser, wenn du mich nicht mehr anrufst. Ich habe keine Tochter mehr. Ich hatte eine, und die habe ich verloren.«
    Da war die Brandung über ihr zusammengeschlagen und hatte sie mit sich gerissen, hinaus aufs offene Meer, wo sie ertrinken würde. Seitdem war alles verschwommen. Sie verlor den Halt. Nichts und niemand konnte sie retten. Sie konnte sich nur auf sich selbst, auf ihre eigene Kraft verlassen, um wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen.
    Diese Frau, ihre Mutter, hatte die Macht, sie stets aufs Neue zu töten. Von einer Mutter, die einen nicht liebt, erholt man sich nie. Das gräbt einem ein tiefes Loch ins Herz, und es bedarf unendlich viel Liebe, um es zu füllen! Man bekommt niemals genug Liebe, man zweifelt ein Leben lang an sich, man sagt sich, dass man es nicht wert sei, geliebt zu werden, dass man keinen Pfifferling wert sei.
    Vielleicht litt Iris ja auch an dieser Krankheit … Vielleicht hat sie sich deshalb in diese wahnwitzige Liebe gestürzt. Hat deshalb alles hingenommen, alles erduldet, er liebt mich, sagte sie sich, er liebt mich! Sie glaubte, eine Liebe gefunden zu haben, die diesen Abgrund zu füllen vermochte.
    Und was ist mit mir, Du Guesclin, was will ich? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß, wie sehr ich meine Töchter liebe. Am Tag der Einäscherung habe ich gespürt, dass wir drei eine Einheit sind. Und jetzt muss ich lernen, einen Mann zu lieben und von ihm geliebt zu werden.
    Philippe war zurück nach London gefahren, und nun war sie diejenige, die nichts mehr von sich hören ließ. Beim Abschied hatte er gesagt: »Ich werde auf dich warten Joséphine, ich habe alle Zeit der Welt«, und er hatte sie zärtlich geküsst und ihr das Haar aus dem Gesicht gestrichen wie einer Ertrunkenen.
    »Ich werde auf dich warten …«
    Sie wusste nicht, ob sie noch schwimmen konnte.
    Du Guesclin sah ihre Laufschuhe und bellte. Sie lächelte. Er erhob sich mit der Anmut einer Robbe, die über das Packeis rutscht.
    »Du bist wirklich fett, weißt du das? Du musst dich wieder bewegen!«
    Zwei Monate, ohne zu laufen, schien er zu sagen, während er sich streckte, kein Wunder, dass ich Speck angesetzt habe.
    Auf der Etage der van den Brocks begegneten sie einer Maklerin, die Interessenten die Wohnung zeigte. »Ich würde nicht in die Wohnung eines Mörders ziehen wollen«, sagte Joséphine zu Du Guesclin, »vielleicht hat man es ihnen ja gar nicht gesagt!« Bei der Durchsuchung des Weihers im Wald von Compiègne hatten Taucher drei Frauenleichen in mit Steinen beschwerten Müllsäcken gefunden. Inspecteur Garibaldi hatte ihr berichtet, dass es zwei Arten von Opfern gab: diejenigen, die sie einfach auf der Straße liegen ließen, und die, denen eine »Sonderbehandlung« zuteil wurde. Wie Iris. Letztere wurden meistens von Lefloc-Pignel »vorbereitet«, der sie anschließend, einem Reinigungsritual folgend, das die beiden Männer zusammen entwickelt hatten, van den Brock »schenkte«. Van den Brock wartete im Gefängnis auf seinen Prozess. Das Ermittlungsverfahren war eingeleitet worden. Es hatte eine Gegenüberstellung mit dem Bauern und der Rezeptionistin aus dem Hotel gegeben, und beide hatten ihn
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