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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten
Autoren: Katherine Pancol
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Katastrophe. Sein Vater hat den kleinen Romain aufgehoben und ins Krankenhaus gefahren. Aber es war zu spät! Von einem Tag auf den anderen war er wie verwandelt. Er hat sich völlig in sich zurückgezogen. Er litt unter entsetzlichen Stimmungsschwankungen. Er besuchte uns kaum noch. Meine Tochter hin und wieder. Aber immer seltener … Sie erzählte uns lediglich, dass er glaube, er sei ›verflucht‹, dass er sage, der Albtraum beginne wieder von vorn. Aber letztendlich war sie es, die diesen Albtraum durchlebte. Ich glaube, dass sie sich schreckliche Vorwürfe machte, dass sie sich die Schuld am Tod des kleinen Romain gab und dass sie sich das niemals verziehen hat. Sie war im christlichen Glauben erzogen worden, und sie redete sich ein, dass sie für ihren Fehler Buße tun müsse. Wir mussten mit ansehen, wie sie nach und nach verkümmerte. Ich habe den Verdacht, dass sie Schlafmittel nahm, dass sie abhängig davon wurde, sie lebte in einer Art dauerhaftem Schrecken. Die Geburt ihrer weiteren Kinder hat daran nichts geändert. Eines Tages bat sie ihren Vater um ein Gespräch und sagte ihm, dass sie sich von ihrem Mann trennen wolle, dass ihr Leben ein einziges Martyrium geworden sei. Sie erzählte ihm von den Farben, montags Grün, dienstags Weiß, mittwochs Rot, donnerstags Gelb, davon, dass sie sich strengstens an die Regeln halten müsse, die er aufstellte. Sie fügte hinzu, dass sie selbst alles ertragen könne, aber sie wolle nicht, dass auch ihre Kinder unter diesem Unglück zu leiden hätten. Wenn Gaétan aus Protest einen karierten Pullover anzog – einen Pullover, den er sich von einem Freund geliehen haben musste –, wurde er grausam bestraft und die ganze Familie mit ihm. Isabelle war am Ende ihrer Kräfte. Sie lebte in ständiger Furcht vor dem, was als Nächstes passieren würde, ihre Nerven lagen blank, sie zitterte bei jeder Lappalie. An jenem Tag gab mein Mann ihr eine Antwort, die er im Nachhinein bereut hat. Er sagte: ›Du wolltest ihn, jetzt hast du ihn, wir hatten dich gewarnt‹, und schlimmer noch, er hat versucht, mit Hervé zu reden: ›Isabelle will Sie verlassen, sie hält es nicht mehr aus! Reißen Sie sich zusammen!‹ Ich glaube, diese Worte waren wie Dynamit. Er fühlte sich von seiner Frau zurückgewiesen, er musste befürchten, seine Kinder zu verlieren; ich glaube, von diesem Tag an ist er wirklich verrückt geworden. In der Bank hat niemand etwas bemerkt. Er war immer noch so effizient wie zuvor, und mein Mann wollte ihn nicht verlieren. Er hatte sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen und war froh, dass sein Schwiegersohn seinen Platz eingenommen hatte. Dieses Arrangement kam allen gelegen: meinem Mann, Isabelles Schwestern und den übrigen Gesellschaftern, die sich auf ihn verließen und ihren Anteil am Gewinn einstrichen. Wir sagten uns, dass er zwar einige beunruhigende Manien habe, aber wer hat denn schon nicht die eine oder andere merkwürdige Eigenart?«
    Sie stockte kurz, griff nach einer Strähne, die sich aus ihrem Haarknoten gelöst hatte, und schob sie zurück. »Als wir erfuhren, was geschehen war, habe ich natürlich an Sie gedacht, aber vor allem fühlte ich mich, als wäre eine gewaltige Last von mir abgefallen … Und Isabelle! Sie kam in mein Zimmer und konnte gerade noch sagen: ›Ich bin frei, Maman, ich bin frei‹, ehe sie zusammenbrach. Sie war vollkommen erschöpft. Im Moment befindet sie sich in der Obhut eines Psychiaters … Auch die beiden Jungen waren erleichtert. Sie hassten ihren Vater, wenngleich sie ihn nie verraten haben. Für Domitille wird das alles schwieriger. Sie hat sich zu einem undurchschaubaren, doppelzüngigen kleinen Mädchen entwickelt. Sie wird Zeit brauchen. Zeit und viel Liebe. Das war es, was ich Ihnen sagen wollte. Ich wollte, dass Sie es wissen. Ihre Frau, Monsieur, und Ihre Schwester, Madame, ist nicht umsonst gegangen. Sie hat eine Familie gerettet.«
    Sie erhob sich genauso mechanisch, wie sie sich hingesetzt hatte. Nahm einen Brief aus ihrer Handtasche und gab ihn Joséphine.
    »Gaétan hat mich gebeten, Ihnen das zu geben …«
    »Was wird jetzt aus ihm werden?«, fragte Joséphine, erschüttert von dieser langen Beichte.
    »Wir haben sie alle drei in einer ausgezeichneten Privatschule in Rouen angemeldet. Unter dem Namen ihrer Mutter. Die Direktorin ist eine Freundin. Sie werden dort eine normale Schulzeit verbringen können, ohne zur Zielscheibe übler Nachrede zu werden. Meine Tochter wird ihren Mädchennamen
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