Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz
Autoren: Thommie Bayer
Vom Netzwerk:
und einen besseren Schutz schien es nicht zu geben. Aber wie lange hält so was ? Sie fliegt hoch, dachte er, und tief wird sie stürzen, aber aus der Höhe verstreut sie diesen Glanz. Sie war berauscht von ihrem Flug und er von ihrem Rausch, und das vereinte sie in einem wortlosen Bündnis.
    »Ich möchte deine Bilder sehen«, sagte er, aber sie ging nicht darauf ein.
    Statt dessen zog sie seine Hand über den Tisch zu sich her, drehte die Handfläche nach oben und sagte : »Du bist nicht fürs Drachentöten da.«
    Er wollte sich schon ärgern über die Art, in der sie ihn einfach bog und drehte, als wäre er ein Ding, mit dem man in der Luft herumwedeln kann, aber dann sagte sie noch : »Das find ich schön.« Und später, irgendwann in ihrem stetigen Reden, unterbrach sie sich und sagte erstaunt : »Ich sprech mit dir wie mit niemand sonst.« Und es klang, als höre sie sich selber dabei aufmerksam zu.
    Zu mir, dachte er, nicht mit mir, aber ich habe nichts dagegen. Meinetwegen hör noch lange nicht auf damit.
    Ich seh dir unter die Kleider und bin Wachs in deiner Hand. Und deine Künstlerträume spielen die Musik.
    In einem Jahr würde er vierzig sein und nicht viel mehr hinter sich haben als eine Kindheit wie die meisten, eine Jugend wie die meisten und ein paar längst schon an den Hut gesteckte Ziele. Er hatte sich schon fast daran gewöhnt, ein innerliches Schulterzucken beim Anblick der eigenen Blässe für normal zu halten und mit nichts weiter als Übersichtlichkeit in seinem Leben noch zu rechnen. Und einer anhaltenden, allenfalls von kleinen Schrullen durchsetzten Langeweile. Er war noch zu jung, um schon nach einem Glauben zu suchen, und schon zu alt, um seinen immer öfter aufbrechen-den Sarkasmus noch für stilvoll oder elegant zu halten.
    Das Westentaschenformat seiner eigenen Existenz im Vergleich zur Übergröße alter Träume enttäuschte ihn nicht mehr. Bis eben, so dachte er, hatte er in Frieden mit seiner eigenen Mittelmäßigkeit gelebt.
    Und auf einmal tauchte ein Mädchen von etwas über dreißig auf, faselte Künstlerdeutsch und schien ihn zu bitten, er möge sie aufs Katapult schnallen und hoch in die Luft schießen, auf eine Umlaufbahn fernab seiner ausgelesenen Gegenwart. Und irgend etwas an ihr schien ihm anzubieten, er könne sich festhalten und mitfliegen.
    Und nichts wollte er lieber tun als das.
     
    *
     
    Es war kurz nach elf, und sie verließen das Lokal. Bis zur Ecke ging sie mit ihm, dann faßte sie an seinen Hals und fuhr hinter sein Ohr, machte dort eine winzige Streichelbewegung und drehte sich wortlos zum Gehen. Er war vom Eindruck dieser kurzen und seltsamen Berührung noch verwirrt, als er oben in der Wohnung anlangte und ihm klar wurde, daß er nicht mal ihre Adresse wußte. Er zog sich aus und legte sich aufs Bett.
    Dann stand er noch einmal auf, zog den Vorhang vor und schlug den Playboy auf.

30.
     
    Würde sie sich wirklich schämen, wenn sein Tod ihr Geld einbrächte ? Und würde die Versicherung bezahlen ?
    Ohne Leiche ? Und wie fände er als Toter heraus, ob sie kassiert hatte ? Sollte er sich als ihr Anwalt ausgeben und die Versicherungsgesellschaft anrufen, nach Hamburg fahren und um Volkers Wohnung schleichen, herausfinden, ob sie einen neuen Wagen fährt oder sich endlich das ersehnte Atelier in Eimsbüttel mietet ? Er müßte sich einen Bart stehenlassen. Das hätte was. Als Toter in Hamburg herumspazieren und sorgsam alle Leute, die ihn kennen könnten, meiden.
    Zwischen den Kaffees, die er sich laufend macht, und dem Buch, in dem er hin und wieder liest, denkt er sich immer weiter in die Geschichte seines fingierten Todes hinein und versucht, für jedes auftauchende Problem eine Lösung zu finden. Und wenn er wirklich versuchte, die Geschichte zu schreiben ? Vielleicht hat er ja Talent und weiß nur nichts davon ? Für so ausgeglichene Leute wie mich, denkt er, ist Schreiben vielleicht das Richtige.
    Wenn er so nachdenkt, geht er kreuz und quer durch die fremde Wohnung, von Manfreds Atelier durch das seiner Frau, nimmt Farbtuben, Pinsel und Stifte in die Hand und dirigiert damit das Konzert seiner Gedanken.
    Er geht ins Bad, ins Schlafzimmer, durch die beiden Kinderzimmer und dann wieder im großen Wohnraum auf und ab. Vom Kamin zum Fenster und vom Fenster zum Kamin. Manchmal stellt sich der Hund mit einem Ächzen auf die Beine und stupst ihm den riesigen Kopf in die Hand.
    Zweimal ist er spazierengegangen auf den Wegen zwischen Gärten und Häusern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher