Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz
Autoren: Thommie Bayer
Vom Netzwerk:
Händen hielt.
    Sie goß Bier in ihr Glas, spülte die Dose im Waschbecken aus, füllte sie mit Wasser und stellte die Margerite hinein. Während er die Zeitschriften ins Regal schob, schenkte sie ihm Wein ein und hielt das Glas vor sein Gesicht.
    »Wieso machst du so was ?« Er hätte sich gleich auf die Zunge beißen können, so blöd war diese Frage. Aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. »Ich meine, Fotos für den Playboy. Das paßt irgendwie nicht.«
    »Zu mir ?«
    »Ja, machen das denn nicht Friseusen, die auf eine Filmkarriere hoffen ? Oder den Durchbruch als Model ?«
    »Nicht nur, nein«, sagte sie ruhig, aber da war etwas Forschendes in ihrem Blick. Eine Weile sah sie ihn so an, dann nahm sie einen großen Schluck : »Du findest das doch nicht etwa anrüchig oder so was in der Richtung ?«
    »Nein.« Er hätte sich ohrfeigen können für den beflissenen Ton seiner Stimme. »Es ist nur irgendwie seltsam, daß Frauen wie du das tun.«
    »Aber daß Männer wie du es ansehen, findest du nicht weiter seltsam, oder ?«
    Ihm war nicht danach, das Thema zu vertiefen, und jetzt ärgerte ihn auch noch ihr triumphierender Ton. Er fühlte sich durchschaut.
    »Es ist auf jeden Fall nicht sehr feministisch«, sagte er.
    »Und ?«
    Noch war er unsicher, ob sich ihr inquisitorischer Tonfall schon geändert hatte oder ob er nur darauf hoffte, da fügte sie mit leiserer Stimme und einem vagen, desinteressierten Blick aus dem Fenster hinzu : »Vielleicht magst du ja das an den Bildern. Daß sie nicht sehr feministisch sind.«
    Sie sah noch immer aus dem Fenster, und er setzte sich und sagte : »Vielleicht. Unter anderem. Ich geb’s zu.
    Und daß ich durcheinander bin.«

29.
     
    Der Anfall von Trauer, oder was auch immer das vor einigen Tagen im Park vor dem Quirinalspalast gewesen sein mochte, hat sich nicht wiederholt. Seit gestern scheint die Sonne, und Martin streunt durch die Straßen und versucht, aufgeschnappte Wörter in seinem kleinen Lexikon zu finden. Außer wenn er Bestellungen aufgibt oder etwas kauft, spricht er kein Italienisch, aber er reimt sich schon manchen gehörten Satz zusammen und hat das Gefühl, so nach und nach etwas mitzubekommen von dem, was um ihn her gesprochen wird. Er sieht sich hin und wieder amerikanische Filme mit italienischen Untertiteln an und entziffert die Überschriften der Zeitungen.
    Vorgestern brachte Manfred das Buch zurück und lud ihn zur Party einer Freundin ein. »Du bist einsam«, sagte er, »Anschluß an die deutsche Gemeinde tut dir gut.«
    Das stimmt. Martin fühlt sich fehl am Platz. In Rom zu sein, ist nicht der Sinn des Lebens. Irgendwas fehlt.
    Aber was ? Er hat keine Ahnung. Jedenfalls nicht Anne.
     
    *
     
    Auf dem Klingelschild steht der Name Brauckner, aber die Frau, die ihm öffnet, sieht so italienisch aus, daß Martin sagt : »Buona sera, Signora, sono un amico di Manfred.«
    »Si, si, bene, kommen Sie rein«, erwidert sie lächelnd.
    »Ich bin Franca. Für heut abend sind Sie vom Unterricht befreit. Sie dürfen wieder Deutsch reden.«
    »Martin«, sagt er und folgt ihr in eine geräumige zweigeschossige Wohnung. Manfred ist nicht unter den Gästen, und Franca stellt ihn niemandem vor. Vielleicht weiß sie nicht wie, vielleicht reicht es in diesem Kreis auch nicht, einfach nur ein Freund von Manfred zu sein. Sie bringt ihm ein Glas Wein, und er nimmt das nächste Türklingeln zum Anlaß, sich auf die Terrasse zu verdrücken. Um nicht arrogant zu wirken, studiert er den Ausblick auf den Hinterhof und nicht die Gäste, die er durchs Fenster sehen könnte.
    »Was für ein Buch schreiben Sie denn ?« Franca ist mit einer anderen Frau herausgekommen, die sie, ohne seine Antwort abzuwarten, als Sharon aus Australien vorstellt. Es klingelt erneut, also antwortet er Sharon auf Francas Frage, er habe bisher kein Wort geschrieben und sei sich auch nicht sicher, ob er je anfange. Er denke einstweilen nur über die Geschichte nach.
    Sie fragt höflich und in gutem Deutsch, wovon die Geschichte denn handeln solle und ob das sein erstes Buch sei. Wenn er es überhaupt schreibe, sei es das erste, erklärt er, und handeln solle es von einer Künstlerin, der übel mitgespielt werde. Aber mehr wolle er nicht sagen, genaugenommen wolle er überhaupt nicht über ein ungeschriebenes Buch reden. »Und was führt Sie nach Rom ?«
    »Ich besuche Freunde«, sagt sie, »die werden auch kommen. Wir sind verabredet hier.«
    Eine Zeitlang sehen sie schweigend auf den Hinterhof, bis die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher