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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz
Autoren: Thommie Bayer
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Geschichte : »Hör mal«, sagt er, »du kannst von ganz was anderem die Hälfte haben. Hast du Geld ?« Er lehnt sich gespannt nach vorn und starrt Martin direkt in die Augen.
    »Die zwanzig ?«
    »Mhm.«
     
    *
     
    Was Rudi nun ausführt, klingt verlockend, und Martin staunt über sich selbst. Er war doch nie geschäftstüchtig, hat immer von bescheidenen Mitteln gelebt, und nun triefen seine Lefzen beim Gedanken an Geld. Seltsam, denkt er, steckt da doch ein abgefeimter Schieber in mir und hat sich nur bisher noch nicht gemeldet.
    Der Schatz befindet sich im selben Haus wie Rudis Laden. Die Erbin, seine Vermieterin, stammt aus Rovereto und vertraut Rudi, weil sie selbst an ihn herangetreten ist. Seit gestern feilschen sie um den Preis, wobei Rudi vorgibt, sich nur für die Möbel zu interessieren und die Bilder allenfalls aus Gefälligkeit nehmen zu wollen.
    Die Frau kennt sich mit Möbeln aus, also muß er zwar weniger bieten, als sie wert sind, aber nicht so wenig, daß sie auch noch andere Händler anspricht. Und erst recht nicht etwa mehr, denn sonst schöpft sie Verdacht und läßt das Inventar schätzen. Dann käme der Wert der Bilder heraus. Die Frau will dreißig Millionen Lire.
    Für alles.
    »Ich hab die Bilder und einen Barocksekretär schon unten im Laden«, sagt Rudi aufgeregt. »Sie kommt heut nachmittag und will Bargeld. Mit siebenundzwanzig oder achtundzwanzig gehört uns das Zeug in drei Stunden.«
    »Also«, sagt Martin angesteckt von Rudis Fieber, »zeig mir die Bilder, dann gehn wir zur Bank.«
    Rudi stößt einen Jubelschrei aus, springt auf und küßt Martin auf den Mund.
    »Also, hör mal. Wir kennen uns doch gar nicht.«
    Rudi lacht und drängt zur Eile.
     
    *
     
    Ein seltsames Gefühl, den dicken Packen Geld in die Hand dieses Fremden zu legen. Zwanzigtausend Mark.
    Wenn er ein Betrüger ist ? Ach was, dafür ist er zu nett.
    Andererseits müssen Betrüger nett sein, sonst kommen sie zu nichts. Das Geld verschwindet in Rudis Köfferchen, und Martin versucht sein mulmiges Gefühl zu ignorieren.
    Fattori. Der Name bringt ihm Glück. Als er die Bilder sah, erkannte er die Chance, sein Erbe zu verdoppeln.
    Mit einem Fünftel davon als Einsatz. Die Bilder sind gut, soviel kann er beurteilen. Mit Ausnahme eines kleinen Vallotons vielleicht, der ihm herzlos hingeworfen er-scheint. Und die Skizzen von Burne-Jones sind keine Kunstwerke, aber werden vermutlich das meiste Geld bringen. Er gefällt sich gut in der Rolle des Glücksritters.
    Ist was ganz Neues. Hätte er nicht von sich erwartet.
    Geld kommt zu Geld, denkt er, das Gerücht wird jetzt bestätigt. Es sei denn, Rudi legt mich rein.
     
    *
     
    Aber schon nach drei Tagen, die Martin nervös, meist mit der Fernbedienung des Fernsehers in der Hand verzappelt, als wäre das Verdienen oder Verlieren von Geld tatsächlich ein großes Abenteuer, kurvt Rudi, rasant wie beim erstenmal, auf die Wendeplatte und wedelt mit einem Bündel Scheine.
    »Kaffee«, ruft er herrisch und tut so, als bürste er den Hund mit dem Lirepacken ab. Er wirft das Geld auf den Tisch und zieht ein Scheckbuch aus der Lederjacke. Sein buschiger Schnauzbart kaschiert das Lächeln nur unzulänglich, und die grüngelben Augen verraten vollends sein Vergnügen. »Das da war der Einsatz«, er deutet auf die Lire, »und hier«, er schraubt die Füllerkapsel ab, »kommt die erste Dividende.«
    Auf dem Scheck stehen knapp sieben Millionen. Das läßt sich ja gut an. Es wird keine zwei Wochen dauern, bis Rudi alles verkauft hat, und so, wie es aussehe, brauche sich Martin dann in den nächsten beiden Jahren nicht übermäßig totzuarbeiten.
    »Und du ?« fragt Martin.
    »Bei mir gehts ja mehr so in die Schulden.«
    Martin holt Grappa, schenkt ein und stößt mit Rudi an. »Auf dein Wohl, Partner«, sagt er, »du bringst mir Glück.«
    »Gern«, sagt Rudi, »mach ich gern.«
    »Wenn du mal wieder was brauchst.«
    »Jetzt erst mal reichts dann schon ein Weilchen, würd ich sagen.«
    Rudi hält fordernd sein Glas in die Höhe. »Jetzt erst mal kommt die Kohle rein. Immer rein und rein und rein. Es wird nachgerade eklig sein, wie das Zeug rein-rauscht.«
    »Ich muß noch nicht kotzen«, sagt Martin und schenkt nach.
    »Kommt noch.«
    Sie kennen sich erst seit vier Tagen und feixen schon wie kleine Jungs, denen es gelungen ist, eine Straßenbahn entgleisen zu lassen. Mit einem Zehnpfennigstück.
     
    *
     
    Martin kann zu Rudi ziehen. Sobald Manfred zurück ist, soll er kommen. Zwei
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