Der langsame Tanz
Darin ist er nämlich gut.«
»In Luftschloß ?«
»Ach komm, schreib du dein Buch in gutem Deutsch und streng mich nicht an.« Manfred lacht. »Wenn du nicht petzt, verrat ich dir, daß ich die Verabredung nicht ganz unabsichtlich vergessen habe.«
»Kein Luftschloß«, sagt Martin, »ein mordsgutes Geschäft.«
»Na ja, ich gönns ihm doch.« Sie sind da. »Komm mal zum Essen, ja ?«
*
Eigentlich seltsam, wieviel er auf einmal mit Bildern zu tun hat. In seinem Leben mit Anne waren sie selbstverständlich gewesen, aber kein Geschäft. Bilder waren Annes Lebensinhalt. Und ein wenig auch seiner. Mit Geld hatte das nichts zu tun gehabt, oder falls doch, dann nur auf eine sehr theoretische Weise, nämlich die, daß fast niemand dafür zahlen wollte.
Seine Kenntnis ausgerechnet Fattoris verdankt er Annes Examensarbeit. Er hatte alles getippt, die Bilder eingeklebt und das Ganze zum Binden gebracht. »Fattori und die Machiaioli.« Er hat die Titelseite noch vor Augen. Man könnte fast an ausgleichende Gerechtigkeit glauben.
*
Es tut gut, wieder in der Stadt zu sein. Hier findet das Leben auf der Straße statt und nicht nur im Fernsehen.
Er nimmt sich vor, stundenlang auf dem Balkon zu sitzen. Rudi hat ihm einen Schlüssel gegeben, bevor er nach Basel fuhr, und Martin stellt sein Gepäck in den Flur und geht durch die Wohnung.
Die Zimmer sind nicht sehr groß und auch ein wenig dunkel, aber er fühlt sich augenblicklich wohl. Die beiden ihm zugedachten Räume erkennt er daran, daß sie, von ein paar Möbeln abgesehen, leer sind, während es in Rudis Teil der Wohnung wenigstens einige persönliche Dinge gibt. Eine Stereoanlage, kunstgeschichtliche Bücher, dicke Kataloge, Marcuse, Bloch und die Mao-Bibel, ein Sofa, einen Sessel, einen Tisch und vier Stühle im Wohnzimmer, einen Schrank, einen Fernseher und eine große Matratze im Schlafzimmer.
Die Küche wirkt anders als der Rest der Wohnung.
Perfekt, wie von einer Frau eingerichtet. Ein moderner Elektroherd, eine Spülmaschine, zwei Kühlschränke und viel Platz in Schränken und Schubladen. Ob Rudi gern kocht ? Das träfe sich gut, denn Martin ißt gern.
Er verstaut den Inhalt seiner Tüten im Kleiderschrank und hängt den fliegenden Esel übers Bett, das auch in seinem Zimmer nur aus Matratze, Kissen, Leintuch und einer dünnen Decke besteht.
Fremde Wohnungen, denkt er, haben was Fesseln-des. Er geht auf und ab und versucht sich die Stimmung einzuprägen, denn bald wird ihm dieser Platz vertraut sein und die Atmosphäre nicht mehr fühlbar. Ob Einbrecher das auch haben, diesen Sinn für die Magie fremder Wohnungen ? Das müßte die Lust am Diebstahl vergrößern.
Die Zimmer wirken so unbelebt mit der Zeichnung von Manfred als einzigem Schmuck, und der Kleiderschrank ist so lächerlich leer, daß Martin sich entschließt, einkaufen zu gehen. Er will den Trubel der Stadt spüren.
Von der Stille und dem Dämmer der Wohnung kann er sich auch noch später am Tag faszinieren lassen.
Er geht die Flaminia entlang zur Piazza del Popolo und hält sich dann links in Richtung der Spanischen Treppe. In dieser Gegend gibt es alles, was gut und teuer ist, und er will das meiste davon kaufen.
*
Knapp drei Stunden später verstaut er Tüten und Taschen voller Anzüge, Hemden und Schuhe, Krawatten, Unterwäsche, Socken, Hosen, Gürtel, Pullover und einen leichten Mantel in den Kofferraum eines Taxis und sucht in sich nach dem Hochgefühl, die unglaubliche Summe, die er ausgegeben hat, nicht einmal umrechnen zu müssen. Aber all diese Dinge einfach kaufen zu können, war schon so selbstverständlich, daß er sich regelrecht zur Freude überreden muß.
Ebenso schnell, wie sich neue Kleider seinem Körper anpassen und nach Stunden schon schlampig und ausgebeult wirken, hat auch der naive Stolz aus Basel seine Bügelfalten eingebüßt. Vielleicht bin ich dafür zu protestantisch, denkt er, oder ist es meine alte Achtundsechzigermoral ? Reichtum hab ich mir jedenfalls als größeres Vergnügen vorgestellt.
Nach dem Einräumen seiner Sachen zieht er sich um und schaut auf die Uhr an seinem Handgelenk. Daß er keine besaß, hätte ihn immer, wenn er die Zeit wissen wollte, an Anne erinnert. Die Uhr hat keinen Sekunden-zeiger, kein Datum und keine Mondphase, aber dafür war sie fast zehnmal so teuer wie die alte. Das hat er nun doch umgerechnet.
Er geht wieder zum Centro Storico und kauft unterwegs den Spiegel. Im Caffè Grecco liest er ihn von vorn
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