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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz
Autoren: Thommie Bayer
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hindurch, aber die ständig an den Mauerrückseiten entlangtobenden Hunde verleideten ihm die Gegend. Und das Auf und Ab durch die Wohnung ist anregender fürs Nachdenken über sein »Tagebuch eines Toten«, wie er die Geschichte für sich selbst inzwischen nennt.
    Jetzt nähert sich ein Motorengeräusch, und die Katze flitzt ins Haus. Martin steht auf. Er will sehen, wer da kommt.
    Ein roter Alfa wendet schwungvoll auf dem kleinen Vorplatz, bevor ein schnurrbärtiger Mann aussteigt und die Tür zuwirft. »Manfred ?« ruft der Mann, noch bevor er Martin auf der Terrasse stehen sieht.
    »Der ist weg«, sagt Martin und erzählt die Geschichte von Julians Krankheit.
    Der Mann krault den Hund am Ohr und sagt :
    »Scheiße. Große, verdammte und unpassende Scheiße.«
    »Gibt’s passende ?« fragt Martin. Der Mann ist ihm sympathisch, wie er sein Herz so offen auf der Zunge trägt.
    »Unpassender Einwurf«, sagt der, »ganz unpassend.
    Scheiße. So eine Scheiße.«
    »Ich nehms zurück«, sagt Martin, »und mach dir zur Strafe einen Kaffee. Ja ?«
    »Oh ja, bitte. So eine Scheiße aber auch.«
    Martin ist dankbar für die Abwechslung im Einerlei seines Haushüterdaseins. Als er mit der Tasse nach draußen tritt, schlägt der Mann theatralisch seine Faust auf die Brüstung und singt noch immer oder schon wieder dieses Mantra : »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    »Was ist denn so scheiße ?«
    »Geld«, sagt der Mann. »Geld und Scheiße gehören zusammen. Ob du aus Scheiße Geld machst oder Geld wie Scheiße hast oder Scheiße baust, weil welches fehlt – immer Scheiße und Geld. Scheiße und Geld regieren die Welt.«
    »Laß mich raten«, sagt Martin. »Du hast keines.«
    Würdevoll neigt der Mann den Kopf und sagt : »Ja, oh ja, ein Mann mit Abitur. Und dabei hätte ich gleich welches, wenn Manfred nicht einfach so abgehauen wär.
    Bist du sicher, daß er nichts hinterlegt hat ? Für Rudi ?
    Einen Scheck oder einen Brief ? Zwanzig Millionen ?«
    »Lire ?«
    »Ja, glaubst du Mark ? Würd ich dann so gebraucht aussehen ? Und für wen hältst du Manfred ? Für einen Thyssen oder so was ? Zwanzig Millionen Mark, ich glaub, ich spinn.«
    »Schuldet er sie dir ?«
    »Nein.« Er klopft auf einen Stuhl, damit Martin sich setzt. »Ich erklärs dir. Ich hab so eine Mischung aus Antiquitätengeschäft und Galerie.
    Nichts Großes, aber für die Bilder gibt es ein paar gute Kunden, Sammler, und ich kenne ihre Spezialgebiete.
    Ich ruf sie an, wenn ich irgendwo was seh, worauf sie scharf sein könnten. Also so was wie ein Agent. Oder Makler. Kein richtiger Galerist. Ich mach auch Ausstellungen, aber nur, um Klientel ranzuschaffen. Fürs Image. Ausstellungen bringen nichts.
    Ohne die Kartei könnt ich nicht mal meine Heizung zahlen, geschweige denn die Miete für den Laden. Bist du eigentlich auch Künstler oder so was ?«
    »Nein.« Martin muß grinsen. Das fragt der doch nur, weil er fürchtet, zu einer Ausstellung gedrängt zu werden.
    »Ich schreib vielleicht ein Buch.«
    »Ah, alles klar. Also, jetzt kommts. Per gnädigem Zufall lauf ich in einen Nachlaß rein, und da stecken neben ein paar guten Möbeln auch Wahnsinnsbilder.
    Sachen, von denen man nur träumt. Segantini, Fattori, ein Valoton und zwei – falls du verstehst, wovon ich rede, wirst du grün im Gesicht – zwei sehr schöne Skizzen von Edward Burne-Jones…«
    »Ich hab vor vier Wochen einen Fattori verkauft«, unterbricht ihn Martin.
    »Ophh«, kommt es aus Rudis erstauntem Gesicht.
    »Also verstehst du was davon.«
    »Bißchen.«
    Sofort wird Martin ausgefragt, was er bekommen hat, wie groß das Bild war, die Signatur, die Jahreszahl, und als Martin alles beantwortet hat, sagt Rudi : »Sportabitur.
    Allenfalls. Du bist bescheuert.«
    Martin zuckt nur die Schultern.
    »Der Typ verdient das Dreifache, wenn er weiß, an wen er’s abgibt.«
    »Vielleicht weiß er’s nicht«, sagt Martin, »kauf du’s doch, wenn du den Abnehmer hast.«
    »Den hab ich. Und ob ich den hab. Ein fanatischer Argentinier. Ruft alle paar Wochen an.«
    »Ja, mach doch. Du weißt, was der Schweizer bezahlt hat, das ist doch eine gute Verhandlungsposition. Gehst grad so weit drüber, daß er was verdient. Vielleicht klappts ja. Wenn er das Bild noch hat.«
    »Ja, mach ich vielleicht wirklich«, sagt Rudi nachdenklich.
    »Und ich krieg die Hälfte vom Gewinn.«
    »Zehn Prozent.«
    »Hälfte.«
    »Zwanzig.«
    Martin grinst : »Ich hab die Adresse.«
    Das erinnert Rudi an seine abgebrochene
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