Der lange Weg zur Freiheit
gegessen.
Später sagte die ältere Schwester zur jüngeren: »Du wirst dein ganzes Leben vergeuden, wenn du dich in einen so rückständigen Menschen verliebst«, doch glücklicherweise kann ich sagen, daß die junge Lady nicht darauf hörte – sie liebte mich, so rückständig ich auch war. Irgendwann trennten sich natürlich unsere Wege, und wir kamen auseinander. Als ich fortging zur Schule, besuchte sie eine andere Schule und wurde schließlich Lehrerin. Wir korrespondierten einige Jahre lang, bis ich ihre Spur verlor; doch zu jener Zeit hatte ich meine Tischmanieren wesentlich verbessert.
Als ich sechzehn Jahre alt war, entschied der Regent, es sei an der Zeit, daß ich ein Mann würde. In der Xhosa-Tradition wird dies nur durch ein Mittel erreicht: durch Beschneidung. In meiner Tradition kann ein Unbeschnittener nicht die Güter seines Vaters erben, er kann nicht heiraten, er kann keine Stammesrituale leiten. In der Tat ist ein unbeschnittener Xhosa-Mann ein Widerspruch in sich, und ein nichtbeschnittener Mann gilt überhaupt nicht als Mann, sondern als ein Knabe. Beschneidung ist mehr als bloß eine chirurgische Prozedur, sondern ein längeres, ausgefeiltes Ritual als Vorbereitung auf die Mannhaftigkeit. Als Xhosa zähle ich meine Jahre als Mann ab dem Zeitpunkt meiner Beschneidung.
Das traditionelle Zeremoniell der Beschneidungsschule wurde vom Regenten hauptsächlich wegen Justice arrangiert – wir anderen, und wir waren insgesamt 26, waren in erster Linie dort, um ihm Gesellschaft zu leisten. Früh im neuen Jahr reisten wir zu zwei Grashütten in einem abgelegenen Tal an den Ufern des Mbashe, das bekannt war als Tyhalarha, der traditionelle Beschneidungsort für Thembu-Könige. Die Hütten waren klosterartige Unterkünfte, wo wir abseits der Gesellschaft leben sollten. Es war eine heilige Zeit; ich fühlte mich glücklich und zufrieden, weil ich teilhatte am Brauch meines Volkes, und war bereit für den Wechsel von der Jünglingszeit zum Mannesalter.
In diese Tyhalarha am Fluß waren wir einige Tage vor der eigentlichen Beschneidungszeremonie gezogen. Die wenigen letzten Tage der Jünglingszeit verbrachten wir jungen Burschen miteinander, und ich genoß die Kameradschaft sehr. Die Hütte lag nahe dem Heim von Banabakhe Blayi, dem reichsten und populärsten Jungen an der Beschneidungsschule. Er hatte ein sehr einnehmendes Wesen, war ein meisterhafter Stockfechter und ein hübscher Junge, dessen zahlreiche Freundinnen uns alle mit mancherlei Delikatessen versorgten. Obwohl er weder lesen noch schreiben konnte, war er einer der Intelligentesten unter uns. Er ergötzte uns mit Geschichten von seinen Reisen nach Johannesburg, einem Ort, wo noch niemand von uns gewesen war. Und mit Erzählungen von den Bergwerken versetzte er uns so in Spannung, daß er mich fast davon überzeugte, es sei aufregender, ein Bergmann zu sein als ein Monarch. In unseren Augen hatten Bergleute etwas Mystisches; ein Bergmann war stark und verwegen; ein Bergmann zu sein, das war das Ideal der Mannbarkeit. Viel später begriff ich, daß es die übertriebenen Geschichten von Jungen wie Banabakhe waren, die junge Männer dazu veranlaßten, davonzulaufen, um in den Minen von Johannesburg zu arbeiten, wo sie oft Gesundheit und Leben verloren. In jener Zeit war das Arbeiten in den Minen fast so sehr ein Übergangsritual wie die Beschneidungsschule, ein populärer Mythos, der den Minenbesitzern mehr half als meinem Volk.
Zu den Bräuchen der Beschneidungsschule gehört es, daß man vor der Zeremonie eine verwegene Tat vollbringt. In alten Zeiten mochte dies ein Rinderraubzug oder sogar eine Schlacht gewesen sein, doch in unseren Tagen hatten solche Unternehmungen eher den Charakter eines arglistigen Streichs. Zwei Nächte, bevor wir in die Tyhalarha zogen, beschlossen wir, ein Schwein zu stehlen. In Mqhekezweni lebte ein Stammesangehöriger mit einem ziemlich gewichtigen alten Schwein. Um Geräusche zu vermeiden, die den Farmer alarmieren konnten, heckten wir einen Plan aus, der es dem Schwein erlaubte, die Arbeit für uns zu tun. Zu diesem Zweck nahmen wir etwas vom selbstgebrauten afrikanischen Bier, das einen starken, von Schweinen sehr geliebten Geruch absondert. Mit dieser Bierprobe legten wir eine Spur bis zu unseren Hütten. Das Schwein wurde durch den Geruch so erregt, daß es aus seinem Kral ausbrach und sich allmählich, schnaufend und schnaubend, von der Probe kostend, bis zu uns vorarbeitete. Als es nahe genug war,
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