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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B.
Autoren: Willi Faehrmann
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alte Mann lachte. »Du bist ein raffinierter Mann, Lenski. Hast es aus dem Jungen herausgelockt. Aber ich will euch allen sagen, wo ihr die Karauschen findet. Ich habe sie in einem Fischkasten unter dem Eis verborgen. An der Landzunge haben wir heute Morgen das Loch geschlagen. Nehmt von den Köderfischen, das heißt, wenn ihr überhaupt noch zum Fischen geht.«
    »Und ob wir zum Fischen gehen«, sagte Lenski. »Und danke für die Köderfische.«

Der alte Mann hatte in der Nacht kaum ein Auge zugetan. Unruhig wälzte er sich in dem breiten Bett von einer Seite auf die andere, vorsichtig, damit er seine Frau nicht aufweckte. Sie schliefen allein in der kleinen Stube. Das Haus war groß geworden, seit die ältesten Kinder fort waren. Karl hatte sich davongemacht und kein Mensch konnte sagen, wohin. Weit weg im Elsass wohnte seine Tochter Paula. Sie wollte unbedingt einen Zollbeamten heiraten, der wenige Monate nach der Hochzeit versetzt worden war. Und Martin, sein zweiter Sohn? Gegen seinen väterlichen Rat war er in den Westen an die Ruhr gezogen und hatte dort Arbeit gefunden. Früher hatte der alte Mann keine schlaflosen Nächte gekannt.
    »Du schläfst wie ein Klotz«, hatte Hedwig, seine Frau, gesagt. Aber seit sein Ältester, der Karl, herangewachsen war, gab es viele Gründe für schlaflose Stunden. In solchen Nächten machte sich der alte Mann Vorwürfe. Tausend Gedanken quälten ihn. Vielleicht, so sagte er sich, wäre alles anders gekommen, wenn er Martin in die Zimmermannslehre genommen hätte und nicht den Karl. Aber es sah alles so vernünftig aus. Martin nach Ortelsburg in die Schmiedelehre, Karl sollte Zimmermann werden. Sie würden gemeinsam das Geschäft vergrößern. Martin ist ein guter Handwerker geworden. Aber Karl hätte doch wohl besser auf die Kunstschule nach Königsberg gepasst. Schon als Junge hatte er den Zimmermannsstift lieber zum Malen in die Hand genommen statt nach der Säge oder der Axt zu greifen. Niemals hatte er gerade Linien von Schwellen und Balken, Pfosten und Pfetten gezeichnet. Immer waren ihm unter der Hand höchst nutzlose Bilder entstanden, Bilder von Vögeln und Pflanzen, von Pferden und Kühen. Das alles mochte in den Kindertagen noch hingehen. Aber als Karl aus der Schule kam und mit dem alten Mann und mit der Zimmerkolonne als jüngster Stift loszog, da wurde es schlimm. Was hätte er alles lernen können von dem alten Mann, der als der beste Zimmermeister in der ganzen Gegend bekannt war und der schon gleich nach dem Tode seines Vaters voll Respekt »der alte Mann« genannt wurde, obwohl er damals erst knapp über vierzig gewesen war. Was hätte sein Sohn alles lernen können!
    Stattdessen ging der Lehrling Karl dem Holz aus dem Wege. Tausend Ausreden und Vorwände fielen ihm ein, um sich von der Baustelle wegzustehlen. Meist fand ihn der alte Mann dann in der Hütte der Zimmerleute sitzen, den Stift in der Hand. Oft genug bekritzelte er das teure Zeichenpapier. Vielleicht, dachte der alte Mann, vielleicht bin ich damals zu nachsichtig gewesen.
    Aber es hatte ihn fasziniert, wenn er sah, wie der Junge malte. Da skizzierte er den Altgesellen hoch oben auf dem aufgebockten Eichenstamm, die große Säge mit beiden Händen gefasst, und unter dem Baume stand der Lehrling, mit Sägmehl bestäubt, und riss das Sägeblatt herab. Nicht irgendwelche Gestalten wuchsen da auf dem Papier, sondern jeder konnte auf den ersten Blick den hageren Lenski und den dicklichen Grumbach erkennen. Später hatte er den Jungen härter angefasst. Als sie den Kirchturm von Leschinen aufgerichtet hatten und den letzten Sparren einfügten, war das ein großer Augenblick für die Zimmerleute.
    Der Junge aber war nicht zu finden. Er hockte im Kirchenschiff mit Stift und Papier vor einem Seitenaltar und malte den heiligen Laurentius nach. Da hatte sich der alte Mann vergessen, achtete nicht auf den Kirchenraum, sondern zerriss das Blatt und gab dem Sohn eine Ohrfeige. Damals war Karl für viele Stunden in die Wälder gerannt und erst in die Hütte zurückgekrochen, als es schon stockfinster geworden war. Dem alten Mann hatte die Ohrfeige Leid getan. Aber er verschloss seinen Mund. Er hatte Angst, dass aus dem Jungen niemals ein Zimmermann werden würde, wenn er immer nur brotlose Kindereien im Kopfe habe.
    Bei den Gesellen war Karl beliebt. Er war stets heiter und liebenswürdig. Als Lehrling im ersten Lehrjahr hatte er für die Gesellen zu kochen. Und das konnte Karl wie kein Lehrjunge zuvor. Abends,
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