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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B.
Autoren: Willi Faehrmann
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und warf den Jungen beinahe in sein eigenes Eisloch. Er glitt aus, gewann aber wieder festen Fuß, zerrte den Fisch heraus und schleifte ihn weit auf das Eis, griff nach dem Beil und schlug die Schneide durch das Netz hindurch dem Fisch hinter dem Kopf ins Rückgrat.
    Die durchgeschlagenen Maschen ließen den Käschersack zerfallen. Frei lag der Hecht, das Beil im Genick, den Weidenring des Käschers rund um den Leib.
    »Was für ein Fisch«, sagte der alte Mann. Der Junge fuhr herum. Er wusste nicht, wie lange der alte Mann schon in seiner Nähe gestanden und ihm zugeschaut hatte. Er stürzte auf ihn zu und verbarg sein Gesicht im Pelz des alten Mannes.
    »Du hast ganz allein einen riesigen Fisch gefangen«, sagte der alte Mann. Er klopfte mit seiner Hand immer wieder leicht auf den Rücken des Jungen. Er ist ein Mann, dachte er. Morgen will ich ihm alles erzählen.

Nach so einem Fang erscheint dir jeder andere Fisch wie ein Nichts«, sagte der alte Mann. Sie packten ihre Geräte zusammen, obwohl die Sonne noch hoch über den Fichten stand. »Du trägst deinen Fisch selbst«, sagte der alte Mann und lud sich zu seinem eigenen Angelzeug die Sachen des Jungen auf den Rücken. Der Junge schüttelte den Kohlenstaub aus dem Sack, in dem er die Holzkohle hergetragen hatte, breitete sich das Tuch über Schulter und Rücken und der alte Mann half ihm den Fisch so darauf zu legen, dass er nicht herunterrutschen konnte. »Greif ihm nicht ins Maul«, mahnte er. »Du weißt, so ein alter Bursche hat dort Rasiermesser statt der Zähne.«
    Das hatte der Junge längst gespürt; denn als er dem Fisch einen Strick durch die Kiemen gezogen hatte, war er mit seiner Hand an die scharfen Hornzacken geraten und aus den Kratzern quer über dem Handrücken quoll immer noch das Blut. Er hatte die Hand schnell in seinem Handschuh versteckt.
    Das freie Ufer des Sees hatten sie bald hinter sich gelassen und gingen durch die Wälder. Sie schritten hintereinander, der alte Mann voraus und der Junge in seiner Spur. Der Schnee lag in diesem Jahr nur wenig über einen halben Meter hoch und der Pfad war von den vielen Männerfüßen, die in den Tagen vorher zum See gelaufen waren, festgetreten. Unter dem Gewicht des Fisches begann der Junge trotz des scharfen Frostes zu schwitzen und er schnürte sich den Pelz am Halse auf. Aber er spürte keine Müdigkeit. Der Wald lichtete sich. Sie erreichten die Straße, die vom Dorfe zur Kreisstadt führt. Sie konnten jetzt nebeneinander gehen. Die Pferdeschlitten hatten den Schnee festgefahren. Waren die Schritte des Jungen, wenn er in den letzten Tagen die eingesammelten Köderfischchen zu tragen hatte, langsamer geworden, je näher sie dem Dorfe kamen, so schienen ihm heute neue Kräfte zu wachsen, als er in der Ferne die lang gestreckte Doppelzeile brauner Holzhäuser ausmachen konnte. Am Eingang des Dorfes verbreiterte sich die Straße. Zu beiden Seiten waren die Wohnhäuser aufgereiht. Die Giebel zeigten zur Straße hin. Sie mussten an der Schule vorbei und an der Kirche und durch das ganze Dorf; denn das Haus des alten Mannes lag am Ende der Straße. Es war, wenn man von der Kirche absah, das größte Haus im Ort und bei weitem das schönste. Der alte Mann hatte es selbst geplant und gezimmert. Überhaupt hatte er die meisten Häuser im Dorfe aufgerichtet, zuerst mit seinem Vater und seinen Brüdern, später mit Gesellen und Arbeitern. Seine Häuser waren solide gebaut und aus dicken, sauber geschlagenen Balken fest gefügt, alle dunkelbraun gebeizt und mit dichten, spitzen Dächern versehen. Die Holzhäuser hatten nach und nach die drei Dutzend Lehmhütten verdrängt, die ursprünglich im Dorf gestanden hatten. Das Haus des alten Mannes ragte hervor, hatte mit Brettern kunstvoll vertäfelte Giebel, ein ausgebautes Dachgeschoss, größere Fens­ter mit klaren Scheiben und eine aus reich verzierten Balken zusammengefügte Laube vor der Haustür.
    Nachrichten laufen schneller als Menschen. So kam es, dass die Mutter des Jungen und seine Großmutter ihnen schon im Hofe entgegeneilten, die schwarzen Wolltücher flüchtig um Schultern und Leib geschlagen.
    Anna und Katinka, die beiden jüngsten Töchter des alten Mannes, kaum älter als der Junge, hatten nicht einmal Zeit gefunden ihre Pelze überzuwerfen. Sie standen in der Kälte und zitterten und bestaunten den Fisch. Der Junge ließ ihn von der Schulter gleiten und hängte ihn an den eisernen Haken, der in den Pfosten der Laube geschlagen war.
    Nachbarn
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