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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten
Autoren: Susan Hastings
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über ihren Leib. »Woher wisst Ihr, dass ich schwanger bin? Und dass es ein Sohn sein wird?«
    »Ihr wollt es noch immer nicht begreifen, dass meine Welt nicht Glaube, sondern Wissen ist. Ich weiß Dinge, die Ihr nicht wisst, weil Ihr sie nicht wahrhaben wollt. Und doch sind sie vorhanden. Ich lese Gedanken, kann in die Zukunft sehen, aber noch besser sehe ich die Gegenwart. Und unter Eurem Herzen tragt Ihr Martins Sohn!«
    »Damit tötet Ihr auch ein unschuldiges Wesen. Er konnte es sich nicht aussuchen, gezeugt zu werden, so wie ich es mir nicht aussuchen konnte.«
    Sie eilte wieder zum Tisch und packte die verhängnisvollen Papiere. »Wenn es nur das ist, was Ihr wollt! Ich verzichte auf diese zweifelhafte Macht, auf dem Kaiserthron zu sitzen. Ich möchte meinem Land einen Sohn geben, der wie sein Vater edel und gerecht ist.« Mit diesen Worten warf sie die Briefe ins Feuer. Sie blieb vor dem Kamin stehen und sah zu, wie sich die Blätter unter den gelben Zungen krümmten und schließlich zu schwarzer Asche zerfielen.
    De Cazeville stellte sich neben sie, und beide schauten gemeinsam ins Feuer. Dann hefteten seine Augen sich auf Isabella. »Mutig von Euch, aber zu spät!«
    Isabella wunderte sich selbst, dass sie ganz ruhig blieb. Sie drehte sich zu ihm und fasste seine Hände. Aufmerksam blickte sie auf die schmalen Finger, die bräunliche Haut.
    »Auch wenn ich es nicht fassen kann, dass diese Hände Gunilla gestreichelt und getötet haben sollen, so nehme ich es zur Kenntnis. Es gäbe keinen Grund für Euch, mich zu belügen. Es fällt mir auch schwer zu begreifen, dass Ihr in die Zukunft sehen könnt. Und trotzdem will ich es von Euch wissen.« Sie zog seine Hand zu sich heran und legte sie auf ihren Bauch. »Was seht Ihr für die Zukunft dieses Kindes?«
    Sie hielt dem Blick seiner schwarzen Augen stand. Es schien ihr, als würde die Zeit stehen bleiben, die Welt um sie herum zur Nichtigkeit zerfallen. Etwas ergriff von ihr Besitz, ein fremder Wille, der sie mit sich zog. Sie sah wogende Kornfelder, pflügende Bauern, wohlgenährtes Vieh. Sie sah ein lachendes Kindergesicht, bunte Blumen auf einer Wiese, im Hintergrund Fahnen an den Türmen der Burg flattern. Die Fahnen trugen die grünen Eichenblätter aus Martins Wappen. Und sie sah Martin, der seinen Sohn auf den Arm hob und ihm das Land zeigte, sein Land.
    Isabella erwachte wie aus einem Traum. Sie blickte immer noch in de Cazevilles Augen. »War das die Andere Welt? «, fragte sie leise.
    »Nein, das war die Zukunft. Doch Ihr habt sie durch die Andere Welt gesehen. Wir waren beide dort.«
    Sie hielt immer noch seine Hände umfasst. »Jetzt verstehe ich. Danke!«
    Er seufzte und blickte sie nachdenklich an. Dann schüttelte er sacht den Kopf. »Es wäre das erste Mal, dass ich meine Entscheidung revidiere. Nein, das kann ich nicht tun!«
    Ihre Augen weiteten sich. »Ihr wollt mich doch töten?«, fragte sie angstvoll.
    »Nein, ich lasse Euch vergessen, was Ihr gelesen habt. Ich lasse Euch die ganzen letzten Stunden vergessen.«
    »Aber … aber wie soll das gehen?«
    Jetzt lächelten auch seine Augen, als er ihre Hand nahm und sie zum Bett führte. »Es geht, glaubt es mir. Ihr werdet einschlafen, und wenn Ihr erwacht, wird Euch alles wie ein Traum vorkommen.«
    Unsicher blickte sie ihn an. »Und Ihr? Werdet Ihr dann noch da sein?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich werde aus Eurem Leben gehen.«
    »Wohin führt Euch Euer Weg?«
    »Irgendwohin. Vielleicht zu Gunilla «
    Ein Gefühl der Rührung überkam Isabella. »Vielleicht ist es wirklich ein großer Verlust für die Menschen, dass das alte Wissen verloren gegangen ist. Und mit Euch wird es gänzlich von dieser Welt verschwinden.«
    »Ja, so wird es sein. Götter sterben, wenn sie vergessen werden. Daran kann auch ich nichts ändern.«
    Er drückte sie sacht aufs Bett und beugte sich über sie. Seine Augen versenkten sich in ihre, und ihre Blicke verschmolzen miteinander. Er murmelte leise Worte, die sie nicht verstand. Ein tiefer Friede erfasste sie, hob sie auf und trug sie auf weichen Schwingen davon. Zeit und Raum dehnten sich, um zu verschmelzen. Der Kuss der Ewigkeit legte sich auf ihre Lippen. Unter ihr versank die Welt im Vergessen.
    *
    »Aufwachen, Schlafmütze!« Rosamundes Stimme riss Isabella aus ihrem tiefen Schlaf. »Es ist schon heller Morgen!«
    Erstaunt blickte sie um sich. »So lange habe ich geschlafen?«
    »Allerdings! Martin hat allen verboten, Euch zu wecken. Ihr solltet Euch nach
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