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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten
Autoren: Susan Hastings
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auf. Doch wenn sie darin kostbaren Schmuck erwartet hätte, wurde sie enttäuscht. Vergilbtes Pergament befand sich darin, eines mit einem Siegel. Vorsichtig nahm sie das obere Blatt zur Hand. In feiner Schrift reihten sich Buchstaben aneinander. Sie blickte auf die Unterschrift: Deine Mutter Herzogin Isolde in Liebe.
    Es war ein Brief ihrer Mutter! Sie wagte kaum zu atmen. Jetzt endlich sprach ihre Mutter zu ihr, viele Jahre nach ihrem Tod! Mit zitternden Händen hielt Isabella die raschelnden Blätter:

    »Meine geliebte Isabella,
    wenn Du diese Zeilen liest, sind fünfzehn Jahre vergangen. Mein Körper wird dann schon längst zu Staub zerfallen sein, doch meine Seele wird nicht eher ihre Ruhe finden, bis Du diese Zeilen gelesen hast. Du bist inzwischen eine erwachsene Frau mit Geist und Verstand. Deshalb habe ich Deinem Vater das Versprechen abgenommen, dass er Dir diese Papiere erst zu Deinem sechzehnten Geburtstag aushändigen soll. Denn was ich dir zu sagen habe, ist für Dein weiteres Leben von großer Wichtigkeit. Liebend gern hätte ich Dir alles persönlich erzählt, aber Gott hatte mit mir andere Pläne. Vielleicht ist es die Strafe dafür, was ich getan habe. Doch ich bereue nichts.
    Ich habe Deinen Vater zutiefst geliebt und war ihm stets eine liebe, treusorgende Gattin. Er gab mir niemals Anlass, ihm auch nur eine Stunde gram zu sein. Ja, er erwiderte meine Liebe zu ihm mit der gleichen Tiefe, auch wenn er es sich natürlich nicht so anmerken ließ. Aber ich habe es immer gespürt. Leider war unser Glück nicht ganz vollkommen, denn uns blieben Kinder versagt. Alle Gebete, Opfer und Besuche von Heilkundigen nützten nichts. So entschlossen wir uns zu einer Wallfahrt nach Venedig. Wir ahnten beide nicht, dass sich zu genau diesem Zeitpunkt unser geliebter Kaiser Friedrich in Venedig aufhielt. Es war nur ein kurzer Aufenthalt. Dein Vater hatte mit ihm bereits zwanzig Jahre zuvor bei der Eroberung Mailands Seite an Seite gekämpft. Die beiden Männer standen sich voll Freude gegenüber, und der Kaiser lud uns in seiner Herzlichkeit zu einem kleinen abendlichen Festmahl ein.
    Kaiser Friedrich ist ein unglaublich imposanter, beeindruckender Mann von lebhafter Intelligenz und faszinierender Ausstrahlung. Er ist wahrhaft ein Kaiser bis zur Spitze seines herrlichen roten Bartes. Und so – mein Kind möge mir verzeihen – erlag ich dem Zauber dieses Mannes. Während die Männer Wein tranken und sich über ihre Erlebnisse während der Feldzüge unterhielten, saß ich bescheiden im Hintergrund und lauschte den Worten des Kaisers. Leider war dein Vater den schweren italienischen Wein nicht gewöhnt, und er fiel einfach von der Bank. Kaiser Friedrich Barbarossa lachte dröhnend, ließ ihn ins Bett schaffen und verwickelte mich dann in ein Gespräch. Ich konnte später nicht mehr sagen, wie es kam, dass ich in seinen Armen lag und diese Nacht bei ihm blieb.
    Am nächsten Tag reiste der Kaiser ab, wir blieben noch eine Woche in Venedig. Wenige Wochen später spürte ich eine Veränderung in mir. Ich trug Dich unter dem Herzen! In meiner abgrundtiefen Verzweiflung habe ich es Deinem Vater gebeichtet. Aber glaub mir, anstatt mich zu schlagen, mich zu beschimpfen und davonzujagen, hat er mir vergeben und gesagt, dass es wohl gottgewollt sei, auf diese Weise ein Kind zu bekommen. Und er hat Dich wie sein eigenes Kind betrachtet. Ich glaube, es gibt keinen gütigeren und verständnisvolleren Mann auf dieser Welt als ihn.
    Als ich Dich in meinen Armen hielt, war ich so unsagbar glücklich. Doch ich dachte auch an Deine Zukunft und habe dem Kaiser eine Botschaft zukommen lassen, die Deine Geburt anzeigte. Obwohl sich der Kaiser auf einem Feldzug gegen Heinrich den Löwen befand, sandte er mir über den Großkanzler eine Urkunde, in der er Dich als sein leibliches Kind anerkennt. Diese Urkunde liegt meinem Brief bei und bezeugt Deine Herkunft.
    Meine liebe, kleine Isabella, jetzt denkst Du sicher sehr schlecht von Deiner Mutter, doch glaube mir, geliebt habe ich nur meinen Gatten. Leider hat mir Gott keine Zeit mehr zugestanden, ihm meine Liebe weiter zu beweisen. Und wenn Du jetzt in einem Alter bist, wo Du selbst einen Mann zum Gatten nimmst, dann wünsche ich Dir so einen liebevollen und verständnisbereiten Menschen an Deiner Seite, wie es für mich der Herzog war. Vielleicht kannst Du mich dann besser verstehen.
    Verzeih mir, mein Kind! Doch gäbe es nicht den Kaiser, gäbe es auch Dich nicht. Du kannst stolz auf das
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