Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DER KUSS DES MAGIERS

DER KUSS DES MAGIERS

Titel: DER KUSS DES MAGIERS
Autoren: S. Landauer
Vom Netzwerk:
weggeschnappt.“
    Glücklich über sein Kompliment, raffte Sina vorsichtig den Rock des Kleides und stieg ein. Sie wusste wirklich nicht, was ihre Mutter immer wollte. Mit Lugo hatte sie doch das ganz große Los gezogen.
    „… erleben Sie jetzt, was Sie noch nie erlebt haben … Schauen Sie ganz genau hin, meine Damen und Herren, lassen Sie sich nichts entgehen – ich garantiere Ihnen, dass Sie keinen einzigen Hinweis auf Tricks und Illusionen entdecken werden. Denn LeNormand , meinen Damen und Herren, ist kein Zauberkünstler, er ist ein Magier. Und wenn ich von Magie spreche, dann meine ich echte Magie. Magie ohne Tricks und doppelten Boden. Aber sehen Sie selbst … Ich bin stolz, Ihnen heute hier präsentieren zu dürfen: LeNormand , den letzten echten Magier der Welt!“
    Interessiert beugte sich Sina vor. Im ersten Teil der Show waren eher mittelmäßige Künstler aufgetreten. Natürlich hatten sie ihre Sache gut gemacht, aber es hatte wenig echte Überraschungen gegeben. Am besten hatte Sina bisher noch ein junger Mann gefallen, der große bunte Glaskugeln über seinen ganzen Körper balancieren konnte, als wären sie schwerelos.
    In der Pause hatte Lugo ihr einen alkoholfreien Punsch ausgegeben und mehrmals verstohlen gegähnt.
    „Könnte noch ein bisschen mehr Action geben“, meinte er auf ihre Nachfrage hin, und da musste sie ihm zustimmen.
    Aber offenbar hatte sich der Programmdirektor die Highlights ja auch für den zweiten Teil aufgespart.
    Im Moment war die Bühne völlig schwarz, dann schwebte von links ein weißer Ball herein. Nein, das war kein Ball, das war ein Gesicht … Sina kniff die Augen zusammen. Sie saßen nicht hinten, aber auch nicht auf den besten Plätzen. Dass sie überhaupt nebeneinandersitzen konnten, verdankte sie Lugos Großzügigkeit. Er hatte eine der teureren Karten in den ersten drei Reihen gekauft und dann Sinas Sitznachbarin in Reihe 15 – einer älteren Dame – angeboten, mit ihr zu tauschen. Das wollte Sina später auf jeden Fall ihrer Mom erzählen. Auch so etwas zeigte schließlich, wie wichtig sie Lugo war und was er alles für sie tat.
    Im nächsten Moment vergaß Sina alles um sich herum. Wie hypnotisiert folgte sie dem sehr blassen Gesicht, das sich frei schwebend über die schwarze Bühne zu bewegen schien. Mal kam es näher, mal war es weiter weg, mal war es hoch oben am Rande der Vorhangbögen, manchmal ganz nah am Boden.
    Ein schwarz gekleideter, gelenkiger Mensch, der vor schwarzem Hintergrund auf schwarzen Requisiten rumturnt, schoss es ihr durch den Kopf.
    Trotzdem konnte sie den Blick nicht abwenden. Die Bewegungen wirkten völlig fließend, es gab keine Pausen oder ruckartigen Bewegungen. Und das Gesicht selbst … So ausgeprägte und trotzdem attraktive Züge hatte Sina noch nie bei jemandem gesehen.
    Nur in deinen Träumen …
    Der Magier – wenn er es denn war, und nicht nur eine Projektion – hatte eine große, aber sehr gerade Nase, hohe Wangenknochen, Augenbrauen wie Vogelschwingen und einen breiten Mund mit vollen, aber trotzdem männlichen Lippen. Und seine Augen … Die Farbe konnte Sina nicht erkennen, aber das lag daran, dass sie sich ständig zu verändern schien. Im einen Moment war sie sich sicher, dass sie braun sein mussten, weil sie wie zwei dunkle Knöpfe in dem weißen Gesicht leuchteten. Dann wieder wirkten sie ganz hell, sodass Sina glaubte, sie müssten blau oder grün sein.
    Geschickte Beleuchtung, dachte sie.
    Jetzt begann er zu sprechen. Das war ganz eindeutig, denn die Lippen bewegten sich passend zum Text. Aber von dem Gesagten bekam Sina nicht viel mit, denn sie war wie gebannt von der Stimme.
    Irgendwoher kannte sie diese Stimme.
    Sie war tief, klingend, mit einem warmen Unterton, der Sina einen wohligen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte. Sie hörte ein Locken darin, ein Versprechen, eine Offenbarung und wäre fast aufgestanden und wie in Trance zu der Quelle dieser unglaublichen Stimme gewandert. Nur wie durch einen Nebel nahm sie wahr, dass es auf einmal wärmer um sie herum wurde. Gehörte das auch zu dieser unglaublichen Erfahrung?
    Lugo stieß sie an, und Sina schreckte aus ihrem seltsamen Zustand auf.
    „Ich glaube, er meint dich“, murmelte er. „Der gibt keine Ruhe. Entweder musst du jetzt wirklich energisch den Kopf schütteln oder auf die Bühne.“
    Was? Verständnislos sah Sina ihn an.
    „Ja, hast du denn gar nicht zugehört?“, flüsterte Lugo. „Er will eine Assistentin aus dem Publikum,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher