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DER KUSS DES MAGIERS

DER KUSS DES MAGIERS

Titel: DER KUSS DES MAGIERS
Autoren: S. Landauer
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geschlossen, dass er dann natürlich außerhalb des Bildes sein musste – eben zum Beispiel auf der Tischplatte. Jedenfalls so nah, dass er jederzeit wieder ins Bild kommen konnte …
    Heute wusste Sina natürlich, was damals geschehen war. Ihr Vater hatte ihre Mutter einfach sitzen lassen – an Sinas viertem Geburtstag. Seitdem existierten sie für ihn offenbar nicht mehr. Er hatte sich nie gemeldet, nie Geld geschickt, sich nie darum geschert, wie seine Frau und Tochter zurechtkamen. Kein Mensch wusste, wo er steckte oder ob er überhaupt noch lebte.
    Zur Hölle mit ihm.
    „Hast du heute Abend schon was vor?“, fragte ihre Mutter plötzlich und riss Sina aus den Gedanken.
    Sina zuckte die Schultern. „Weiß nicht. Vielleicht ruft Lugo noch an.“
    Das flüchtige Stirnrunzeln ihrer Mutter entging ihr nicht, und sie hoffte, dass jetzt nicht wieder eins der sinnlosen Streitgespräche folgte. Zum Glück nicht.
    „Ich habe heute von Mr. Snyder eine Karte für die Varietéshow im Stadttheater geschenkt bekommen. Wegen so etwas kann ich mir so kurzfristig natürlich nicht freinehmen, aber ich dachte, du hast vielleicht Lust!? Es soll ganz toll sein, Louisa war gestern da und hat mir die ganze Zeit vorgeschwärmt. Heute ist die letzte Vorstellung.“
    Varieté? Etwa Pudel in Strickmäntelchen, die Kunststücke vorführten, und drahtige Chinesen, die auf Stühlen balancierten?, überlegte Sina.
    Ihre Mutter deutete ihren nicht sehr enthusiastischen Gesichtsausdruck richtig. „Nicht so, wie du denkst“, sagte sie. „Louisa hat gesagt, dass es hauptsächlich um Illusion und Magie geht. So etwas magst du doch.“
    Das stimmte. Wenn ein Magier im Fernsehen auftrat, konnte sie nie umschalten, obwohl sie natürlich wusste, dass die unglaublichsten Tricks eben genau das waren: Illusionen, clever gemachte Kunststücke.
    Aber live hatte Sina so etwas noch nie gesehen – wenn man Kartentricks und Taschenspielerei nicht mitzählte. „Klingt nicht schlecht“, sagte sie. „Warum nicht? Ist mal was anderes. Meinst du, Lugo bekommt an der Abendkasse auch noch eine Karte?“
    Als ihre Mutter einen Seufzer schlecht unterdrückte, verzog Sina den Mund und sie schaute zur Uhr. Musste ihre Mom nicht bald los?
    Aber nein, dafür hatte sie anscheinend immer Zeit.
    „Magst du nicht ausnahmsweise mal allein gehen?“, fragte sie. „Du bist doch mit Lugo nicht an der Hüfte zusammengewachsen. Außerdem interessiert er sich wohl eher nicht für solche Sachen. Mach dir doch lieber mal einen schönen Abend ohne ihn. Oder nimm stattdessen eine Freundin mit!“
    Mussten sie das wirklich alles immer wieder durchkauen? „Mom, ich weiß, dass du ihn nicht magst. Aber du kannst wirklich nicht verlangen, dass ich deshalb weniger Zeit mit ihm verbringe …“, setzte Sina an.
    „Es geht doch gar nicht darum, dass ich ihn nicht mag“, widersprach ihre Mutter. „Ich mag nicht, wie er dich behandelt. Du hast doch gar keinen Freiraum mehr. Er ist eifersüchtig auf deine Freundinnen, ganz zu schweigen von dem Theater, das er veranstaltet, wenn dich mal ein anderer Junge anlächelt. Und du stellst deine Interessen immer wieder zurück, wenn er nur mit dem kleinen Finger winkt. Das ist einfach nicht gut für dich. Für so etwas bist du noch viel zu jung. Auch mit neunzehn.“
    „Aber ich fühl mich nun mal wohl mit ihm. Wenn er eifersüchtig ist, zeigt mir das doch nur, wie wichtig ich ihm bin“, entgegnete Sina. „Und es stimmt nicht, dass ich meine Interessen zurückstelle. Was ist denn schlimm daran, wenn man was unternimmt, was beiden Spaß macht?“
    „Okay, wie wär’s damit“, schlug ihre Mutter vor. „Du kannst Lugo ja fragen, ob er heute Abend mitkommt. Aber wenn er nicht will, dann gehst du allein. Es wäre wirklich schade, wenn die Karte verfällt. Versprochen?“
    Lustlos zuckte Sina die Schultern, dann nickte sie stumm. Wenn es ihrer Mutter so wichtig war …
    „Prima. Ich wünsch dir ganz viel Spaß, mein Schatz! Und jetzt muss ich los.“
    Ihre Mutter stand auf, stellte ihren Teller in die Spüle und drückte kurz Sinas Schulter. „Du kannst mein Seidenkleid anziehen, wenn du magst. Dann denken alle, du wärst auch ein Star der Show.“
    Trotz allem musste Sina lächeln. Wenn ihre Mutter anbot, ihr das Seidenkleid zu leihen, musste es ihr wirklich wichtig sein. Allmählich begann Sina, sich auf die Varietévorstellung zu freuen …
    „Na, Baby, heute Abend schon was vor?“
    Unwillkürlich umfasste Sina den Telefonhörer
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