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DER KUSS DES MAGIERS

DER KUSS DES MAGIERS

Titel: DER KUSS DES MAGIERS
Autoren: S. Landauer
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die Waffe auf ihn richten? Nein, das musste sie falsch verstanden haben. So etwas war bestimmt auch nicht erlaubt. Sie fasste die Pistole am Lauf und hielt sie so, dass der Griff zu ihm zeigte.
    „Andersherum, bitte.“
    Sie zuckte zusammen. Woher wusste er das? Sina war ziemlich sicher, dass er durch das Tuch absolut nichts sehen konnte. Vom Publikum bekam sie schon lange nichts mehr mit. Wieder hatte sie das Gefühl, dass sie in einer unwirklichen Welt ganz allein mit LeNormand war und dass gerade etwas unglaublich Bedeutsames geschah. Seine Stimme klang noch immer so wunderbar wie vorher, doch Sina hörte einen neuen Unterton darin. Anspannung? Ob das hier nun ein sehr ausgefeilter Trick oder echte Magie war, jedenfalls musste er sich offenbar unglaublich konzentrieren. Und es war wichtig, dass sie keinen Fehler machte, dass sie ihn nicht aus dem Konzept brachte.
    Also umschloss sie wieder den Griff der Pistole und hielt sie, wie er es ihr bedeutet hatte. Sie zielte auf ihn.
    LeNormand hob die linke Hand und ließ sie, die Handfläche nach unten, über der Waffe schweben. Nach ein paar Sekunden schüttelte er den Kopf und sagte: „Die nicht. Bitte die nächste.“
    Erleichtert legte Sina die Pistole auf eine Ablage unter dem Tisch und griff, diesmal schneller entschlossen, nach der nächsten. Offenbar wusste LeNormand, was er tat.
    Noch zweimal schüttelte er den Kopf und wiederholte: „Die nicht.“
    Als sie nach der nächsten griff, spürte Sina selbst, dass etwas anders war. Ihre Hände wurden feucht und ihr Mund trocken. Sie gab sich Mühe, die Pistole so ruhig wie möglich zu halten, und hätte sie trotzdem beinah fallen lassen, als LeNormand ruhig sagte: „Das ist die Richtige. Drück ab!“
    Sofort fiel ihr auf, dass er sie nicht gesiezt hatte. Das hier war etwas zwischen ihm und ihr, es hatte nichts mehr mit der Show zu tun. Viel eher war es so wie in ihrem immer wiederkehrenden Traum: Sie musste etwas Wichtiges tun, konnte sich aber einfach nicht erinnern, was es war.
    Auch jetzt stieg Panik in ihr auf, was sie sonst immer beim Aufwachen spürte: Sie musste tun, was er von ihr erwartete, sonst würde sie ihn im Stich lassen. Aber wollte er wirklich das ?
    Du bist Assistentin in einer Zaubershow. Es gehört alles dazu. Tu es einfach, sagte Sina sich. Er würde das nicht machen, wenn es nicht vollkommen sicher wäre.
    Trotzdem kam ihr die antike Pistole auf einmal noch schwerer vor, und ihre Hand begann zu zittern.
    Drück ab. Ich bitte dich, tu es , hörte sie LeNormands Stimme. Sina konnte nicht mehr klar unterscheiden, ob er laut sprach oder nur in ihren Gedanken.
    Tu es für mich, ich bitte dich.
    Zögernd, ganz langsam, zwang sie ihren Zeigefinger, sich um den Abzugshebel zu krümmen. Doch als sie auf Widerstand stieß, hielt sie wieder inne. Das war doch Wahnsinn. Was, wenn er sich irrte? Die Mündung zielte mitten auf seine Brust.
    Er wird das hier nicht wirklich mit geladenen Waffen machen, schoss es ihr durch den Kopf. Er ist doch nicht lebensmüde.
    Aber willst du ihn schon wieder im Stich lassen, so wie in deinen Träumen?, fragte sie sich im nächsten Augenblick.
    Bitte, Beloved. Tu es für mich!
    Das Gewirr von Stimmen und Gedanken machte sie schwindelig. Jetzt mischte sich noch eine vierte Stimme ein, die Sina ebenfalls sehr gut kannte.
    „Aufhören, sofort aufhören! Das ist doch Wahnsinn!“
    Aus dem Augenwinkel sah sie jemanden auf die Bühne stürmen, dann wurde ihr Handgelenkt umklammert und nach oben gerissen. Vor Schreck krümmte Sina die Finger – und zog den Abzugshebel.
    Der Schuss dröhnte in ihren Ohren.
    Nachdem das Geräusch abgeebbt war, herrschte einige Sekunden lang Totenstille. Und dann brach die Hölle los.
    Menschen schrien, im Zuschauerraum gab es einen Tumult. Sina hatte das Gefühl, nicht mehr aufrecht stehen zu können, und sank einfach in sich zusammen. Doch der Mann, der noch immer ihr Handgelenk umklammerte, schlang ihr den Arm um die Hüfte. Wie in Trance sah Sina in sein Gesicht. Lugo.
    Doch er schaute nicht sie an, sondern LeNormand, der zusammengesunken, den Kopf gesenkt, die Augen noch immer verbunden, im Sessel saß. Die Panik verlieh Sina neue Kraft. Hatte der Schuss ihn getroffen? Sie wollte auf ihn zugehen, doch Lugo hielt sie fest.
    Angestrengt versuchte sie zu erkennen, ob auf dem schwarzen Stoff von LeNormands Hemd Blutflecken waren. Wie hoch hatte die Pistolenmündung schon gezeigt, als sich der Schuss gelöst hatte? Wieso bewegte LeNormand sich
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