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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis
Autoren: Brigitte Riebe
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ein bisschen, wie kindisch das klang.
    »Worauf wartest du dann noch? Die Wunde muss sauber werden - und die ganze Miu mit dazu.« Fürs Erste schien der Zorn ihres Vaters verraucht. »Und komm mir erst wieder unter die Augen, wenn du einigermaßen ordentlich aussiehst!«
    Plötzlich war es ganz einfach, zu gehorchen.
    Miu ging zum Teich, schlüpfte aus ihrem Kleid und spürte, während sie langsam hineinwatete, wie das Wasser bei jedem Schritt höher stieg und ihr erhitzter Körper sich abzukühlen begann. Dann hielt sie die Luft an und tauchte unter, bis sie das Gefühl hatte, alles, was heute passiert war, abgewaschen zu haben. Anschließend wickelte sie sich in ein Tuch, ging in ihr Zimmer und legte sich auf das Bett.
    Eigentlich hatte Miu nur für ein paar Momente ausruhen wollen, doch als sie wieder erwachte, hatte die Göttin Nut* bereits ihre schützenden Flügel ausgebreitet und es war draußen stockdunkel geworden. Im Zimmer aber sorgte eine mit Öl gefüllte Tonschale, in der ein Docht schwamm, für gelbliches Licht.

    Hell genug, um festzustellen, dass eine fürsorgliche Hand sich um ihr leibliches Wohl gekümmert hatte, wenngleich jemand sich bereits dreist davon bedient hatte. Das Schälchen Linsensuppe und das Fladenbrot auf dem Tablett am Fußende waren unberührt. Daneben jedoch lagen abgenagte Hühnerknochen und ein paar Knorpelreste.
    Im ersten Moment glaubte Miu, noch zu träumen, denn das anmutige Wesen, das es sich neben ihrem Bett bequem gemacht hatte, war über Wochen verschwunden gewesen, und sie hatte schon befürchtet, es niemals wiederzusehen.
    Miu streckte sich, legte ihre Hand auf den warmen Körper und begann, das weiche Fell zu streicheln, das unter ihrer Berührung vibrierte. Hart ragte der knöcherne Grat der Wirbelsäule heraus; alles Fleisch schien wie weggeschmolzen. Pau hatte keine einfache Zeit hinter sich, das konnte Miu spüren.
    »Pau«, flüsterte sie, in unendlicher Erleichterung. »Meine Pau - dass du nur wieder da bist!«
    Die Feuerkatze hob den Kopf und stieß ein helles Begrüßungszirpen aus. Ein zweiter Ton folgte, ein hohes, durchdringendes Fiepen.
    Sie war nicht allein gekommen!
    Da lagen zwei faustgroße, quicklebendige Fellknäuel an ihrem Bauch, die nach verlorenen Zitzen jammerten.
    Eines dunkel gestromt, das andere lohfarben wie sie selber.

    Irgendwann würde seine Frau sich zu fragen beginnen, warum Nefer jetzt immer freiwillig das nächtliche Aufräumen,
Saubermachen und Zuschließen des Graureihers übernahm, zumal sie ja wusste, wie sehr er diese Arbeiten verabscheute. Vielleicht tat sie das ja schon längst, seine Frau, eine Lebenskünstlerin auch in schwierigen Tagen, die ihren wachen Kopf hinter einem kindlichen Blick und einem strahlenden Lächeln zu verstecken wusste. Aber selbst wenn es so war, blieb Nefer nichts anderes übrig, als trotzdem mit diesen verhassten Arbeiten weiterzumachen.
    So lange, bis er endlich bekommen hatte, was er so dringend brauchte.
    Nefer stellte die Hocker mit den Beinen nach oben auf die Tische, um leichter kehren zu können, und horchte in das Dunkel. Es war schon eine ganze Weile her, dass die Letzten hinausgetorkelt waren, Vater und Sohn, beide volltrunken. Ihre Zeche war trotzdem kaum der Rede wert gewesen. Kein Wunder, denn Taheb und er konnten es sich ja nicht leisten, den Bierpreis vernünftig zu erhöhen. Jedenfalls sofern sie nicht riskieren wollten, ihre Gäste zu verprellen.
    Wenigstens hatte die Lage des Graureihers so nah am Wasser gewisse Vorteile, wenngleich Nefer vor neun Jahren noch nicht daran gedacht hatte, als sie die Pacht der kleinen Schenke übernommen hatten. Viel anderes war ihnen auch nicht übrig geblieben, nach der hastigen Flucht aus der Sonnenstadt*, mit nahezu leeren Händen und in ständiger Angst, die Häscher könnten sie jederzeit auch in Waset aufspüren und zur Rechenschaft ziehen.
    Ein Dasein dritter Klasse, bestenfalls, das war es, was ihnen nun bevorstand, und vermutlich wäre es ohne große Änderungen bis zum Ende ihrer Tage genauso weitergegangen - hätte es nicht jene geheimen Lagepläne gegeben,
die ihm ein unerwarteter Verbündeter kurz vor seinem Tod hatte zukommen lassen. Jemand von früher, als er noch als Schreiber hatte arbeiten dürfen, ein Mann, dem sie damals mindestens so übel mitgespielt hatten wie ihm.
    »Tu du es für mich.« Manchmal glaubte Nefer, den rasselnden Atem des Sterbenden noch zu hören. »Ich selbst bin dazu nicht mehr in der Lage. Mach sie fertig,
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