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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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für den Fall eines Kriegs mit Deutschland zu 9 . So legt sich England gegen Deutschland fest, ohne daß von letzterem auch nur die leiseste Drohung mit einem Kriege ausgegangen wäre. Und Frankreich kann ab 1911 mit Englands Hilfe rechnen, und im Falle einer Spannung mit Deutschland dementsprechend pokern.

    Der erste der erwähnten zwei verhängnisvollen deutschen Fehler ist das Versäumnis, sich vertraglich, wie früher, gegen Rußland abzusichern. Damit kann England die Entente mit Frankreich im Westen Deutschlands durch einen Bund mit Rußland im Osten Deutschlands ergänzen und das Deutsche Reich so von zwei Seiten in die Zange nehmen. 1890 waren die deutsch-russischen Abkommen von 1873, 1884 und 1887 ausgelaufen. Die deutsche Reichsregierung unterläßt es mit Rücksicht auf den Bündnispartner Österreich, die Rückversicherungsverträge gegenüber Rußland zu erneuern. Im Juli 1905 schließen Kaiser Wilhelm II. und sein russischer „Vetter" Zar Nikolaj II. bei einem Treffen an der Küste Finnlands zwar noch einmal einen russisch-deutschen Beistandspakt, doch die Regierungschefs in Berlin und Petersburg weigern sich, den Pakt zu unterschreiben. Sie fürchten, daß ihre Länder durch die neuen Beistandspflichten in die Kriege des jeweils anderen Staats hineingezogen werden könnten. So steht Deutschland 1905 ohne eine Sicherung gegenüber dem großen Nachbarn Rußland da.

    Die englische Regierung nutzt diese Chance, sich statt der Deutschen selber Rußland anzunähern. Ab 1906 verhandelt man in Petersburg über die kolonialen Ambitionen beider Seiten. Im August 1907 schließen beide Staaten den RussischEnglischen-Vertrag, in dem sie ihre „Einflußzonen" in Afghanistan und Persien

    Ein herzliches Bündnis
Grenfell, Seiten 12ff
Wilhelm II. und die Gemahlin des Zaren sind Vetter und Cousine

    markieren. Doch England begnügt sich nicht mit der politischen Entspannung in kolonialen Fragen. Bereits im November 1907 reist General French, der Oberbefehlshaber des englischen Heeres, nach Sankt Petersburg, um dort mit russischen Generalen und Ministern über weit mehr als nur Afghanistan und Persien zu sprechen. Er legt den Russen nahe, ihre Truppen an der Westgrenze gegenüber Deutschland zu verstärken. So zieht Großbritannien auch hier die Fäden gegen Deutschland, das außer Wirtschaftsexpansion zu der Zeit keine anderen, vor allem keine territorialen Ziele hat.

    Das Flottenwettrüsten

    Der zweite verhängnisvolle Fehler, den Deutschland gegenüber Englands Machtanspruch begeht, ist es, den eigenen Aufschwung mit einer maritimen Komponente zu versehen, das heißt, die deutsche Flotte zu verstärken. Bei steigender Bevölkerungszahl und Produktivität nehmen mit dem Außenhandel auch Fischerei und Handelsschiffahrt zu. Ab 1884 erwirbt das Reich außerdem die ersten Kolonien. Das Selbstbewußtsein in Wirtschaft, Bevölkerung und Politik wächst und man glaubt in Deutschland, sich gleichberechtigt neben die etablierten Länder Frankreich und England stellen zu dürfen. Die allgemeine Begeisterung und der Glaube an den Sinn und Nutzen von Welthandel und Weltpolitik sind damals im Deutschen Reich so verbreitet, wie heute die positive Meinung zur Globalisierung von Politik und Wirtschaft. Besonders der noch junge und in dieser Hinsicht unvorsichtige Kaiser Wilhelm II. erhebt Deutschlands ebenbürtige Geltung in der Welt zu seinem politischen Programm. Der Kaiser, Sohn einer englischen Prinzessin und Lieblingsenkel von Königin Victoria in London, ist von allem stark beeindruckt, was er als englische Lebensart und Politik erlebt. Aus diesem Erbteil stammt seine Faszination für Welthandel, Flottenbau und Kolonien.

    Kaiser Wilhelm II. läßt ab 1898 eine Flotte bauen, die über die bisher betriebene Küstenverteidigung hinaus die Handels- und Überseeverbindungen bei internationalen Krisen oder im Verteidigungsfall vor Unterbrechungen schützen soll. Deutschland begibt sich damit auf ein Feld, auf dem andere Nationen längst zuhause sind, so daß der Ausbau der eigenen Marine zunächst nicht ungewöhnlich ist. 1898 erläßt der Deutsche Reichstag sein erstes Flottenbaugesetz. England hatte schon 1889 und 1894 neue Flottenbauprogramme eingeleitet, Rußland 1890 und 1895, Japan 1896 und die USA 1897 11 . Kaiser Wilhelm II., der Deutsche Reichstag und die Marineleitung unter Admiral von Tirpitz begehen mit dem Ausbau der bis dahin kleinen deutschen Kriegsmarine 1898 also beileibe nichts, das man neu, kriegstreibend
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