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Der Krieg der Trolle

Der Krieg der Trolle

Titel: Der Krieg der Trolle
Autoren: Christoph Hardebusch
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war, Herrscher über Wlachkis zu sein. Wie man es gut machte. Seinen Vater hatten die Menschen geliebt, daran konnte Natiole sich noch lebhaft erinnern. Warst du ebenso allein wie ich? Hast du das Amt auch mehr als Bürde denn als Auszeichnung empfunden?
    Obwohl er nun schon seit einigen Jahren auf dem Thron in Teremi saß, erschien ihm die Vorstellung, dass er über all diese Menschen herrschte, noch immer seltsam. Allerdings gelang es ihm meist, diese Gedanken zu verbergen, und das war auch notwendig, denn sobald das Mahl beendet war, würden die Gespräche beginnen, und man würde von ihm erwarten, dass er Entscheidungen traf.
    Zu seiner Linken saß ein Händler, der sich Vergünstigungen beim Wegzoll erbitten würde. Hinter diesem saß ein beleibter Handwerker mit seinen Söhnen, die darauf hofften, den Auftrag zum Wiederaufbau der alten Ställe zu bekommen, die im vergangenen Winter teilweise eingestürzt waren. Am nächsten Tisch befanden sich Gesandte aus Dyrien, die ein neues Handelsabkommen schließen wollten. Kaffee aus dem Imperium wurde immer beliebter in Wlachkis, und sie hofften auf ein Monopol. Auch hatte es wieder Streitigkeiten an der Grenze zu Ana Békésars Ländereien gegeben, und ein Bauer hatte seine halbe Schafherde verloren. Jetzt saßen er und seine beiden Töchter schweigsam in der hintersten Ecke des großen Saals, während sich ihre Widersacher bereits näher an Natiole herangearbeitet hatten. Es kam dem jungen Fürsten so vor, als habe er sich erst letzte Woche um genau dieselben Angelegenheiten gekümmert, aber Probleme dieser Art waren wie die berühmten phanirischen Echsen – wenn man ihnen den Schwanz abschlug und glaubte, vorerst mit ihnen fertig zu sein, wuchsen ihnen gleich zwei neue nach.
    Unvermittelt sah Natiole eine Vision vor sich, wie er immer noch in diesem Saal auf seinem Thron saß, alt, grau und gebeugt, und dieselben Menschen, ebenso wie er vom Alter gezeichnet, genau dieselben Anliegen vortrugen, die er sich an diesem Abend anhören musste.
    » Herr? Geht es Euch gut?«
    Die Anrede riss Natiole aus seinen Gedanken. Die junge Geistseherin Camila hatte sich neben ihn gesetzt. Mit einem Mal musste Natiole fast auflachen. Jung, fuhr es ihm durch den Kopf. Weil ich mich selbst so alt fühle? Er sah Camila an und erinnerte sich daran, dass sie nur ein Jahr jünger als er selbst war. War es so für dich, Vater? So lange Jahre diese Last zu tragen.
    Laut sagte er: » Verzeiht mir, ich war in Gedanken.«
    » Ich wollte Euch nicht stören und kann später wiederkommen, wenn Euch das lieber ist.«
    » Nein, bleibt. Bitte.« Er bemühte sich um ein Lächeln, das sie sofort erwiderte.
    Die Geistseherin hatte kastanienbraune Haare, was darauf schließen ließ, dass es unter ihren Vorfahren masridisches Blut gab. Ihre Haut war selbst jetzt im Sommer sehr hell, und ihre Miene wirkte durch die großen, hellen Augen immer ein wenig überrascht, obgleich Natiole wusste, dass sie einen kühlen Kopf besaß und die Dinge oftmals in der richtigen Perspektive sah.
    In Teremi hieß es über sie, dass sie eine besondere Verbindung zum Land habe, doch Natiole war vorsichtig damit geworden, solchen Gerüchten Glauben zu schenken. Seit sie vor einem halben Jahr an den Hof gekommen war, hatte sie sich einige Male als gute Gesprächspartnerin erwiesen, aber der junge Fürst war sich unsicher, was er von ihr zu halten hatte.
    » Danke. Ihr habt von den Grenzproblemen gehört?«
    Innerlich seufzte Natiole, dass die vom Essen gesetzte Gnadenfrist nun abgelaufen war. » Mein Haushofmeister hat es angesprochen, ja. Wir werden uns in den nächsten Tagen darum kümmern.«
    Natiole forschte in ihrem Gesicht nach ihren Absichten, konnte aber keine Hinweise finden. Zwischen den Geistsehern, die dem uralten wlachkischen Glauben anhingen, und den Masriden mit ihrem Albus Suna s gab es immer noch böses Blut. Unter Anas Herrschaft waren die Geistseher im östlichen Wlachkis nicht mehr der Verfolgung ausgesetzt, aber noch herrschten Masriden und Szarken, und ihr Glaube an das Göttliche Licht verbot es ihnen, andere Glaubensrichtungen zu akzeptieren. Wohl gab es vorsichtige Annäherungen; einige Sonnenpriester predigten, dass der Glaube an die Geister des Landes nichts Böses sei, sondern dass die Geister auch Wesen der Ewigen Sonne waren, aber sie befanden sich in der Minderzahl. Die meisten Priester hatten für den alten Glauben der Wlachaken nichts als Ablehnung übrig, und die Geistseher empfanden ihnen
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