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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer
Autoren: Angus Donald
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seines Siegels, mit der er mir das Besitzrecht an diesem großen, alten Haus und seinen vielen Nebengebäuden verlieh. Dazu gehörten fünfhundert Morgen besten Ackerlandes, ein Dorf von vierundzwanzig Häusern, in dem hundert Seelen lebten – hauptsächlich Leibeigene, aber auch ein paar freie Männer –, eine Wassermühle, ein Kaninchengehege, zwei Paar Ochsen, ein Pflug und eine gute Kirche aus Stein.
    »Es ist ein kleines Gut, Alan, eigentlich kaum mehr als ein großer Bauernhof – nur ein halbes Ritterlehen. Und ein wenig heruntergekommen, fürchte ich, doch das Land soll sehr gut sein«, sagte Robin.
    »Aber wie soll ich es leiten?«, fragte ich. »Ich verstehe nichts von Äckern, wie soll ich davon leben?«
    »Ich erwarte nicht von dir, das Land selbst zu bestellen, Alan«, entgegnete Robin lachend. »Du musst dir einen guten Mann suchen, einen Vogt oder Verwalter, der das für dich macht. Du tust nichts weiter, als die Pacht einzunehmen – und sorge ja dafür, dass dich niemand betrügt. Deine Dienste benötige ich selbst. Aber du brauchst ein Einkommen und ein gewisses Ansehen, wenn du mich repräsentieren, meine Botschaften überbringen und gewisse andere Dinge für mich tun sollst.« Er lächelte, und seine seltsamen, silbrigen Augen blitzten mich an. »Außerdem bin ich davon überzeugt, dass in England großer und dringender Bedarf an noch mehr Liedern über die Heldentaten des stattlichen Robin Hood und seiner tollkühnen Gesellen besteht.«
    Das war natürlich nur Neckerei. Ich hatte ein paar Liedchen über unsere gemeinsame Zeit als Gesetzlose komponiert, die sich wie ein Lauffeuer durch das ganze Land verbreitet hatten. Sie wurden in Schenken von Cockermouth bis Canterbury gesungen – und entfernten sich mit jeder betrunkenen Darbietung weiter von der Wahrheit. Robin machte es nichts aus, zu einer Legende zu werden. Er fand es angeblich amüsant – ich glaube, er genoss es sogar. Und er war nicht im Geringsten besorgt, weil damit seine früheren Verbrechen ans Licht gebracht wurden. Immerhin war er jetzt ein hochrangiger Adeliger, unantastbar für einen bloßen Sheriff, und genoss obendrein die Gunst und Freundschaft von König Richard.
    All das hatte er im vergangenen Jahr in einer zwei Tage währenden, grausigen Schlacht errungen, doch zu einem hohen Preis – zusätzlich zum Blut seiner Getreuen. Um diese Schlacht gewinnen zu können, hatte Robin nämlich einen unwiderruflichen Pakt mit der Armen Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem, kurz, dem berühmten Templerorden geschlossen: Er hatte geschworen, als Gegenleistung für deren Unterstützung in einem entscheidenden Augenblick der Schlacht eine Streitmacht aus Söldnern, Bogenschützen und Berittenen ins Heilige Land zu führen und sich König Richards Armee von Kreuzfahrern anzuschließen. Als Robins Trouvère würde ich das christliche Heer begleiten, und ich konnte es kaum erwarten, diese Reise anzutreten, die mir als edelstes aller nur denkbaren Abenteuer erschien.
    In meiner Satteltasche steckte eine Botschaft von König Richard an Robin, und ich vermutete, dass sie das Datum unseres Aufbruchs enthielt. Nur unter Aufbietung all meiner Willenskraft hatte ich mich davon abhalten können, das Siegel zu erbrechen und den privaten Brief des Königs an meinen Herrn zu lesen. Doch ich beherrschte mich. Mehr als alles andere wollte ich Robins treuer, zuverlässiger Vasall sein, absolut vertrauenswürdig, absolut loyal, denn Robin hatte so viel mehr für mich getan, als mich zum Grundherrn zu machen. In gewisser Weise hatte er mich zu dem gemacht, was ich war. Bei unserer ersten Begegnung war ich nur ein schmutziger kleiner Dieb aus Nottingham gewesen, und er hatte mich davor bewahrt, zur Strafe verstümmelt oder gar hingerichtet zu werden. Dann hatte er meine Gabe erkannt und dafür gesorgt, dass ich eine Ausbildung als Musikant erhielt, normannisches Französisch lernte und Latein – die Sprache der Mönche und Gelehrten. Auch im Kampf wurde ich unterwiesen, so dass ich nun mit Schwert und Dolch ebenso kunstfertig umzugehen verstand wie mit der
Vielle,
der fünfsaitigen Fidel aus poliertem Apfelholz, auf der ich meinen Gesang begleitete.
    Also hatte ich im Dienste meines Herrn viele harte Tage und Nächte im Sattel verbracht und beinahe neue Furchen in die matschigen Straßen Englands geritten. Und nun, als wir uns diese endlose smaragdgrüne Anhöhe hinaufmühten, fühlte ich mich, als käme ich nach
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