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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer
Autoren: Angus Donald
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ließen, damit Robin Reichtümer anhäufen konnte. Doch jene, die diese Zeilen lesen, können darüber selbst urteilen, und ich werde so wahrheitsgemäß wie nur möglich von Robins Abenteuern jenseits des Meeres berichten. Und ich werde meine eigenen Erlebnisse schildern in jenem von Hass vergifteten Land, wo Männer einander im Namen Gottes zu Tausenden abschlachten, in jenem Reich, wo man von der Hitze erdrückt und vom Staub erstickt wird und wo dämonische Skorpione und riesige, haarige Spinnen lauern – in jenem
Outremer
genannten Land.
     
    Ghost, mein grauer Wallach, war erschöpft, und ich selbst vollkommen ausgelaugt. Wir hatten in den vergangenen Wochen viele hundert Meilen gemeinsam zurückgelegt – nach London, Winchester, Nottingham und zurück. Als wir den steilen Hang vom Tal des Locksley River in Yorkshire zur Burg hoch oben auf dem Hügel hinaufritten, tätschelte ich ihm den grau gesprenkelten Hals und murmelte ein paar ermunternde Worte. »Wir sind schon beinahe zu Hause, mein Junge, beinahe zu Hause, und dort wartet eine Schüssel heißer Haferbrei auf dich.« Ghost spitzte die Ohren und schien sogar ein wenig flotter auszugreifen. Während er die schier endlose grasbewachsene Hügelflanke hinaufstapfte und Mutterschafe und ihre unbeholfenen Lämmer versprengte, erspähte ich bald den viereckigen Umriss der St.-Nicholas-Kirche über mir, und am Horizont dahinter den hohen hölzernen Wehrturm und die dicken Palisaden um den Hof von Kirkton Castle, der Festung meines Herrn, die über dem Vale of Locksley thronte. Ich sonnte mich in einem Gefühl der Heimkehr und der warmen Gewissheit, eine Aufgabe erfüllt zu haben. Mein Kopf war voller guter, frischer Informationen, bedeutender und gefährlicher Neuigkeiten, und in einer Satteltasche, sorgsam eingewickelt und versteckt, lag ein kostbares Geschenk. Wie ein Jäger, der nach einem Tag in den Wäldern mit einem prächtigen Fang heimkehrt, empfand ich eine befriedigende Mischung aus Erschöpfung und Freude.
    Gerade begann der Frühling im Jahre des Herrn 1190 , und an diesem schönen Tag hatte ich das Gefühl, dass es um die ganze Welt zum Besten bestellt war: Der edle König Richard, dieser christlichste aller Krieger, saß auf dem Thron von England, die Männer, denen er wichtige Machtpositionen verliehen hatte, walteten dem Vernehmen nach weise. Er selbst würde bald eine weite und heilige Reise antreten, um Jerusalem, den Nabel der Welt, von den Sarazenenhorden zu befreien und dadurch vielleicht sogar die Wiederkunft Christi zu bewirken. Ganz England betete für seinen Sieg. Doch vor allem hatte ich erfolgreich einen der ersten Aufträge meines Herrn Robert Odo ausgeführt, des neu geadelten Earl of Locksley, dessen Ländereien Kirkton, Sheffield, Ecclesfield, Hallam, Grimesthorpe und Greasbrough umfassten sowie Dutzende weitere kleinere Güter in Yorkshire, Nottinghamshire und Derbyshire.
    Ich war Robins
Trouvère
oder persönlicher Hofmusiker. So bezeichnete man uns Troubadours, weil wir selbst Lieder »fanden« oder komponierten und nicht nur die Verse anderer Männer zum Besten gaben wie gewöhnliche Gaukler. Doch zusätzlich diente ich Robin als Bote, Gesandter und gelegentlich auch als Spion. Und ich tat das alles gern. Ich schuldete ihm alles, was ich besaß. Ich war als bettelarmer Bauernjunge geboren worden und hatte keine Familie, ja nicht einmal ein Dorf, das ich meine Heimat hätte nennen können. Ich war damals noch sehr jung, erst fünfzehn Jahre alt – und Robin verlieh mir das kleine Gut Westbury. Alan of Westbury, das war ich nun! Ich war Herr über eigene Ländereien, über ebendieses Anwesen, in dem ich jetzt, über vierzig Jahre später, diese Zeilen schreibe. Im Jahr zuvor hatten wir die Streitmacht des korrupten Sheriffs von Nottinghamshire, Sir Ralph Murdac, in der blutigen Schlacht von Linden Lea besiegt. Danach war Robin, ein berüchtigter Gesetzloser, von König Richard begnadigt und zum Earl of Locksley geadelt worden, und er hatte seine wunderschöne Marie-Anne geheiratet. All jene, die ihm in seinen finsteren Jahren als Geächteter gefolgt waren, hatte er für ihre Treue belohnt – mit einer Handvoll Silber, einem kräftigen Ochsen oder einem prächtigen Pferd. Ich gestehe, dass auch ich irgendein Geschenk erwartet hatte, doch mit beachtlichem Grundbesitz hatte ich nicht gerechnet.
    Ich war nahezu sprachlos vor Dankbarkeit, als Robin mir die Urkunde zeigte, geschmückt mit der großen, schweren roten Scheibe
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