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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer
Autoren: Angus Donald
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das Heilige Grab zu Jerusalem für die Christenheit zu bewahren.
    Auch äußerlich hatte sich Kirkton sehr verändert. Ja, ich hatte den Burghof kaum erkannt, als wir am Nachmittag durch das hohe hölzerne Tor eingeritten waren. Der Hof wimmelte von Menschen – Waffenknechte, Handwerker, Diener, Kaufleute, Wäscherinnen, Huren, alle gingen eilig ihren Angelegenheiten nach. Zudem wirkte er beinahe vollgestopft mit neuen Gebäuden aus Holz, die man errichtet hatte, um diese geschäftigen Scharen von Leuten unterzubringen.
    Der Festungshof hatte die Form eines riesigen Kreises von etwa hundert Metern Durchmesser und war von einer hohen Palisade aus Eichenpfählen umgeben. Als ich aufgebrochen war, hatten sich um die leere Mitte nur eine Handvoll Gebäude gruppiert: die Halle, in der wir nun saßen, mit dem Privatgemach von Robin und Marie-Anne an einem Ende, die Küche, die Stallungen, das solide gebaute Kontor, das Robin als Schatzkammer diente, und ein paar Lagerschuppen, mehr nicht. Jetzt ähnelte der große Hof beinahe einem Dorf: Ein neues, niedriges Langhaus war als Unterkunft für die Waffenknechte errichtet worden, an der Palisade war eine große Schmiede mit zwei Räumen entstanden, und ein stämmiger Mann und seine beiden Gehilfen hämmerten unablässig auf glühende Metallstreifen ein, aus denen sie die Schwerter, Schilde, Helme und Lanzenspitzen für die kleine Armee fertigten. Vor einem kleinen, erst halb fertigen Schuppen arbeitete ein Pfeilmacher. Unter dem aufmerksamen Blick seines Lehrlings band er mit einem Leinenfaden sorgsam Gänsefedern an einen Schaft, und neben ihm lag ein Stapel fertiger Pfeile.
    Die beiden würden in den kommenden Wochen reichlich zu tun haben. Ein guter Bogenschütze konnte in der Schlacht zwölf Pfeile pro Minute verschießen, und Robin plante, fast zweihundert Bogenschützen mit ins Heilige Land zu nehmen. Wenn sie nur eine Schlacht zu schlagen hätten und diese nur eine Stunde dauern würde, kämen sie schon auf hundertvierundvierzigtausend Pfeile. Selbst wenn der Pfeilmacher monatelang arbeitete, konnte er nicht hoffen, genug Pfeile für die Expedition herzustellen. Deshalb würden die Männer unterwegs ihre Pfeile selbst befiedern müssen, und Robin hatte Tausende vorgefertigte Schäfte aus Wales gekauft. Viele seiner angeheuerten Bogenschützen kamen von dort: derbe, zähe Männer, oft eher klein, aber mit kräftiger Brust, kurzen Armen und der gewaltigen Kraft, die man aufbringen musste, um den großen, tödlichen Langbogen zu spannen, auf den sie im Kampf vor allem setzten. Die Bogenschützen waren unter den vielen Leuten in der Festung an ihrem kleinen, stämmigen Körperbau leicht zu erkennen. Ein Eschenschaft mit Stahlspitze, der von ihrem sechs Fuß langen Bogen aus Eibenholz abgeschossen wurde, konnte auf zweihundert Schritt Entfernung das Kettenhemd eines Ritters durchstoßen. In der Zeit, die ein Ritter brauchte, um einen Bogenschützen aus dieser Entfernung zu erreichen und anzugreifen, konnte der drei oder vier Pfeile in die Brust des Reiters abschießen.
    Auch die Stallungen waren ausgebaut worden und nun beinahe drei Mal so lang wie zuvor. Darin waren die vielen Pferde der etwa hundert berittenen Soldaten untergebracht, die Robin auf seine große Pilgerfahrt mitnehmen wollte. Und obwohl man erwartete, dass die Pferde sich unterwegs so gut wie möglich selbst ihr Futter suchten, mussten wir dennoch gewaltige Mengen Getreide mitnehmen, damit wir die Tiere auch dort füttern konnten, wo es nichts zu weiden gab, oder in den staubtrockenen Wüsten des Morgenlands. Zusätzlich brauchten die Pferde Decken, Striegel, Eimer, Futterbeutel und ein Dutzend weitere Kleinigkeiten, außerdem Sättel, Sattelgurte, Zaumzeug, Trensen und alle möglichen Riemen, Schnallen und Lederzeug. Dann die Waffen: Jeder Reiter würde mit einem Schild und einer zwölf Fuß langen Lanze bewaffnet sein, aber auch ein Schwert tragen, und viele Reiter führten für den Nahkampf in der Schlacht am liebsten noch einen Streitkolben oder eine Axt mit sich.
    Als wir also auf den Festungshof ritten, auf dem Männer hin und her riefen, Pferde wieherten, Schmiedehämmer klirrten und Kleinvieh blökte, hatte ich beinahe einen Schrecken bekommen. Ich staunte über die Verwandlung der Festung von der verschlafenen Burg einer Familie in einen Bienenstock kriegerischer Geschäftigkeit. Selbst der Wehrturm, der auf seinem eigenen kleinen Hügel über den Burghof aufragte, summte vor Betriebsamkeit. Ein
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