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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer
Autoren: Angus Donald
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von Little Johns Axt, als er dem Gefangenen auf Robins Befehl alle Glieder bis auf den linken Arm abhacken ließ. Und ich erinnerte mich an den Jungen, einen zehnjährigen Burschen, den wir für harmlos hielten und, verschnürt wie eine Weihnachtsgans, am Leben ließen, damit er die Geschichte herumerzählen konnte. Derselbe Junge lag nun vor mir gefesselt auf dem Strand und starrte mit hasserfüllten Augen zu mir hoch.
    »Sprich!«, schrie ich ihn an. »Durch dein Schweigen hast du nichts zu gewinnen. Gib zu, dass du es warst, der Ungeziefer in Robins Bett versteckt und sein Essen vergiftet hat. Gib zu, dass du in Akkon große Steinbrocken auf ihn herabgestoßen hast …«
    »Was schert Euch das?«, fauchte William. »Ihr hasst ihn doch auch. Ich habe gehört, wie Ihr ihn im Fieber verflucht und ihn einen Mörder, einen Dieb und gottlosen Schlächter genannt habt. Er hat meinem Vater die Männlichkeit genommen und ihn zu einem winselnden Bettler gemacht, unfähig, sich selbst zu versorgen oder auch nur in Würde zu scheißen.«
    Mir fiel auf, dass sein Stottern völlig verschwunden war.
    »Es war sonst niemand da«, fuhr er fort, immer noch mit dieser hasserfüllten Stimme, die so anders klang als sein gewohnter Tonfall. »Also habe ich mich um ihn gekümmert. Ich habe seine eitrigen Verbände gewechselt, ihm die Scheiße vom Arsch gewischt, gebettelt und gestohlen, damit er zu essen hatte – und jeden Tag habe ich ihn ein wenig mehr verabscheut. Er hat noch ein volles Jahr lang gelebt, als halber Mensch, als verachteter Krüppel, bis er endlich den Mut fand, seinem Leben mit seinem eigenen Dolch ein Ende zu machen. Ich hasse Robert Odo für das, was er meinem Vater genommen hat, und weil er mir den Vater genommen hat. Und ich weiß, dass Ihr ihn ebenso sehr hasst wie ich. Er ist böse, und das wisst Ihr auch. Schneidet mich los, und wir töten ihn gemeinsam, Ihr und ich. Macht mich los, dann befreien wir die Welt von diesem fauligen Abschaum …« Dann brach er in heftiges Schluchzen aus, Rotz troff ihm aus den Nasenlöchern, und Tränen liefen ihm über die Wangen.
    »Sag mir zuerst, wie du zu uns gekommen bist. Hast du diesen Mord schon immer im Herzen getragen? Hattest du all das geplant, schon an dem Tag, als wir uns in Nottingham begegnet sind?« Er nickte. Die Hingabe und Hartnäckigkeit, mit der er seine Rache verfolgt hatte, waren beeindruckend. Und nicht wenig beängstigend. Das Stottern, die Unterwürfigkeit, die gutmütige Hilfsbereitschaft – alles nur Täuschung, alles nur Mittel zu einem tödlichen Zweck.
    »Als mein Vater seinem Elend ein Ende gemacht hatte, habe ich einen heiligen Eid geleistet. Ich habe vor der Heiligen Jungfrau geschworen, den Earl of Locksley zu töten oder dabei umzukommen.«
    »Aber ich habe dir mein Leben anvertraut!«, sagte ich. »Hättest du auch mir im Schlaf die Kehle aufgeschlitzt?«
    »Euch doch nicht, Herr, niemals. Ihr wart gut zu mir.« Er schniefte. »Aber ich wollte dieses Ungeheuer töten und mich dann davonschleichen, vielleicht als Diener in ein Kloster eintreten und mein restliches Leben lang Buße tun.«
    »Und was war mit dem wilden Eber?«, fragte ich kalt. »Der hätte mich auf Sizilien beinahe das Leben gekostet.«
    »Das tut mir aufrichtig leid, Herr«, schluchzte William. »Ich habe dafür gesorgt, dass die Netze herunterfallen, aber dann hat das Ungeheuer sich einfach woanders hinbewegt. Ich wollte Euch nichts Böses, Herr, bei meinem Leben, das wollte ich nicht!«
    Ich konnte immer noch kaum glauben, dass mein braver Diener all das geplant hatte – mein fröhlicher William, der mir während dieser unzähligen Meilen unserer Reise so treu gedient hatte, sollte dieses finstere Geheimnis so lange so gut vor mir verborgen haben?
    »Wenn ich dich jetzt freilasse, gibst du mir dann dein Wort darauf, der Rache an meinem Herrn Robert of Locksley abzuschwören?«, fragte ich förmlich, und mir graute ein wenig vor der Antwort. »Wirst du bei unserem Herrn Jesus Christus, der Jungfrau Maria und allen Heiligen schwören, dass du nicht wieder versuchen wirst, meinen Herrn zu ermorden? Dass du uns verlassen und niemals zurückkehren wirst?«
    »Nein!« Seine Augen blitzten auf. »Ich werde niemals aufgeben. Ich werde ihn bis ans Ende der Welt verfolgen, um mich an ihm zu rächen. Er muss einen Tod erleiden, der seiner Bösartigkeit angemessen ist …« Ich sah, wie sich kleine weiße Speichelflecken in Williams Mundwinkeln sammelten. Er ahnte sein
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