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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer
Autoren: Angus Donald
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Schicksal wohl voraus, denn er begann, sich in seinen Fesseln zu winden.
    Ich trat hinter ihn, zog meinen Dolch, und dann, Gott sei meiner Seele gnädig, schnitt ich ihm so rasch wie möglich die Kehle durch. Als er zu zappeln aufhörte und ich seinen blutüberströmten Körper auf den Sand kippen ließ, fiel ich selbst zu Boden, als hätte ich eine tödliche Verletzung erlitten. Ich starrte in den Himmel hinauf, wo Gott und seine Engel wohnten. Doch ich sah keine Spur des Göttlichen. Die Nacht war angebrochen, Wolken verdeckten die Sterne, und während ich in die Dunkelheit blickte und reglos zwischen den drei frischen Leichen lag, die ich auf dem Gewissen hatte, traten mir vor Weltschmerz bittere Tränen in die Augen. Sie flossen über, und ich sann über Rache und Fehden nach, über Mord und Heiligen Krieg, über Treue und Liebe. Ich sann über meine Treue zu meinem Herrn nach, die trotz seiner vielen schweren Sünden soeben der härtesten Prüfung standgehalten hatte. Über die Liebe eines Jungen zu seinem Vater, die zu etwas Grausigem pervertiert worden war. Ich hatte William aus Notwendigkeit getötet. Es war notwendig für Robins Sicherheit, weil der Junge seiner Rache nicht hatte abschwören wollen, und in diesem Augenblick erkannte ich, dass ich trotz all der Übeltaten meines Herrn noch immer Robins treuer Gefolgsmann war. Aber manchmal gibt es mehr als eine Wahrheit, und manchmal, wenn ich mehr als meinen üblichen Becher Wein getrunken habe, glaube ich, dass ich William um Nurs willen getötet habe.
    Ihr hatte ich nicht die Treue gehalten. Nachdem sie von Malbête verstümmelt worden war, hatte ich beim Anblick ihres entstellten Gesichts vor Entsetzen aufgeschrien – und sie war davongelaufen. Also hatte sie gewusst, dass ich sie nicht lieben konnte, entstellt, wie sie war. Und sie hatte recht gehabt. Folglich konnte ich sie nicht wahrhaftig geliebt haben, denn die Liebe muss doch gewiss über bloße körperliche Schönheit hinausgehen. Schlimmer noch, ich war nicht einmal stark genug gewesen, ihr treu zur Seite zu stehen. Also habe ich William in gewisser Weise um Nurs willen getötet. Weil ich ihr, die zu lieben ich behauptet hatte, nicht treu geblieben war, wollte ich beweisen, dass ich Robin treu sein konnte, den ich angeblich nicht liebte.
     
    Schließlich rappelte ich mich hoch. Der mit Blut verklebte Dolch lag noch in meiner rechten Hand. Als ich darauf hinabschaute, fiel mir auf, für wie viel er stand. Er war das Geschenk eines gütigen Mannes, der auf Befehl meines Herrn vor meinen Augen abgeschlachtet worden war. Das Werkzeug, mit dem ich das Leben eines Jungen beendet hatte, dem schreckliches Unrecht widerfahren war, im Namen der Treue zu meinem Herrn. Ich konnte den Anblick nicht mehr ertragen, also holte ich weit aus und schleuderte ihn in die Nacht hinaus, wo er mit einem leisen Platschen irgendwo im alles verzeihenden Ozean versank.
    Ich zog mich wieder aus, schleifte die Leichen so weit aufs Meer hinaus, wie ich konnte, auch Keelies Kadaver, und ließ sie dort zurück, damit sie auf ewig bei den Fischen ruhten. Dann wusch ich mich erneut von Kopf bis Fuß und schrubbte mich im flachen Wasser mit Sand ab. Ich trocknete mich ab, legte Kleider und Waffen an und stieg ermattet den schmalen Klippenweg zum Lager hinauf.
    Ich fand meinen Herrn in seinem Zelt. Reuben kniete vor ihm und versorgte eine Wunde an Robins Oberschenkel. Er nahm mein Eintreten mit einem Nicken zur Kenntnis und sagte: »Ein Pfeil. Nicht weiter schlimm, sagt Reuben.« Er wedelte mit der Hand in Richtung eines Tabletts, auf dem ein Krug Wein und mehrere Becher standen. Ich bediente mich und setzte mich auf eine Truhe aus Zedernholz, um zu warten, während Reuben einen sauberen weißen Verband um Robins Bein wickelte.
    »Und, was bekümmert dich?«, fragte Robin ein wenig geistesabwesend. Er wirkte leicht gereizt über mein Eindringen. »Ich dachte, du würdest mit den anderen trinken und unseren glorreichen Sieg feiern.«
    »Ich habe Malbête getötet«, sagte ich barsch. »Unten am Strand. Ich habe ihm mit meinem Schild das Genick gebrochen.«
    »Freut mich für dich«, entgegnete Robin. »Du hast meine Hilfe also doch nicht gebraucht.« Er wirkte völlig gleichgültig, doch dann begriff ich, dass Reuben ihm ein starkes Schmerzmittel verabreicht haben musste, denn der Jude blickte mit einem Dutzend Fragen in den dunklen Augen zu mir hoch.
    »Und meinen Diener William habe ich auch umgebracht. Ich habe ihm die Kehle von
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