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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Autoren: Ralf Isau
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Zimmer gegenüber, das nur wenige Stunden zuvor das schicksalhafte Treffen mit Belials einstigem Logenbruder gesehen hatte. Der Bischof zeigte sich für die »Ergänzungsfragen des Weg-Korrespondenten« überraschend empfänglich. Trotz des zeitweilig frostigen Interviewverlaufs schien Franz von Papen das Treffen des vorangegangenen Abends positiv bewertet zu haben.
    Und so plauderte Hudal in der ihm eigenen Großspurigkeit über die Rettung »missverstandener« Nazis. Auch Adolf Eichmann habe er aus der Klemme helfen können. Über die »Klosterroute« war der Organisator des Holocausts nach Italien gelangt, wo ihn die Franziskaner unter ihre Fittiche genommen hatten. Das Schleusersystem für gesuchte Naziverbrecher war erstaunlich gut durchdacht. Obwohl der Name nicht genannt wurde, glaubte David hinter den Schilderungen des Bischofs doch die Handschrift Odessas zu erkennen, jener Geheimorganisation, von der er durch Simon Wiesenthal wusste. Selbst Pius XII. habe seine seelsorgerische Pflicht gegenüber den schwer vermittelbaren Emigranten aus dem Tausendjährigen Reich erkannt, meinte Hudal. Noch vor dessen Zusammenbruch habe er sich mit dem SS-Gruppenführer und General der Waffen-SS Karl Wolff getroffen. Während dieser Umstand David kaum noch schrecken konnte, zeigte er sich hingegen irritiert über die Verstrickung des Roten Kreuzes in die Fluchthilfeaktionen.
    In der Überzeugung, einen recht(s) gesinnten Deutschen vor sich zu haben, plauderte der Bischof gegenüber David weitere Details von Adolf Eichmanns Flucht aus. Der katholische Taktiker war augenscheinlich stolz auf die eigene Wohltätigkeit. Pater Anton Weber von der St.-Raphael-Gesellschaft habe Eichmann während der schweren Wartezeit betreut, berichtete der Kirchenrektor. Worauf habe er denn gewartet, fragte David. Na, auf die neuen Ausweispapiere vom italienischen Roten Kreuz selbstverständlich. Auch ein Mönch namens Francisco habe dem Leidenden Trost zugesprochen. Gelobt sei der Herr für solch aufopferungsvolle Brüder!
    Seinen »Reptilienfonds« habe er übrigens nicht angreifen müssen, um Eichmanns Schiffspassage auf der Gio vanna C nach Argentinien zu bezahlen. Hudal erinnerte sich dessen mit einem wehmütigen Lächeln. Der fleißige Mann habe sich jahrelang in der Lüneburger Heide als Hühnerzüchter die Reise vom Munde abgespart.
    »Erstaunlich!«, entfuhr es David. Sein Ausruf galt der Blindheit des amerikanischen Counter Intelligence Corps sowie der deutschen Behörden, aber Hudal verstand ihn als Anerkennung der Kaltblütigkeit des Obersturmbannführers. Der Bischof nickte gerührt.
    »›Zäh wie Leder, flink wie Windhunde und hart wie Kruppstahl.‹ Baldur von Schirach muss an Männer wie Eichmann gedacht haben, als er seinen deutschen Jungs erklärte, was wahre Ideale sind.«
    David hätte sich beinahe verschluckt. Laut Wiesenthal war der Massenmörder ein eher farbloses Gewächs. »Können Sie sich noch erinnern, wann dieser zähe Mann Europa den Rücken kehrte?«
    »Nun, dank meiner Hilfe konnte die Kirche wohl mehreren hundert aus der Bedrängnis helfen«, antwortete Hudal selbstgefällig, »aber an Adolf Eichmann oder Ricardo Klement, wie er jetzt heißt, erinnere ich mich noch genau. Er stach mit der Giovanna C Mitte 1950 in See. Dann muss er so ungefähr einen Monat später in Buenos Aires an Land gegangen sein.«
    Das träfe sich gut, antwortete David. Der Weg sei ja in derselben Stadt beheimatet. Er lächelte voller Optimismus. »Adolf Eichmanns zweites Leben interessiert mich ungemein. Ich bin zuversichtlich, bald Bedeutendes darüber berichten zu können.«

 
    Der Buchhalter des Todes
     
     
     
    Den Franziskanermönch ließen sie links liegen. Und Pater Anton Weber von der St.-Raphael-Gesellschaft ebenso. Belials Logenbruder hatte sich eine Zeit lang dieser Kleriker bedient, nicht mehr. Wenn er jedoch wachsamer als Papen war – und davon ging David aus –, dann hatte der Nazi längst alle Brücken hinter sich abgebrochen. Für einen eiskalten Massenmörder besaß Eichmann allerdings einen ausgeprägten Familiensinn. Immerhin hatte er Frau und Kinder nach Argentinien geholt, anstatt sich auch ihnen als im Kriege Gefallener zu empfehlen. Darin witterte David seine Chance.
    Mit dem Nachtzug reisten er und Lorenzo noch am 11. Oktober nach Linz, von wo aus Simon Wiesenthal seit der Schließung seines Dokumentationszentrums die Nazis als Einzelkämpfer jagte.
    Die Stippvisite dauerte nur einen Tag. David machte den Juden
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