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Der Krankentröster (German Edition)

Der Krankentröster (German Edition)

Titel: Der Krankentröster (German Edition)
Autoren: Jürgen von der Lippe , Gaby Sonnenberg
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mich während der Chemozeit für das Programm »Sport und Krebs« traf, erzählte, wie groß der Muskel- und Konditionsabbau sei, da man wochenlang, ja monatelang nur im Bett liegt und höchstens mal ein paar Schritte auf dem Krankenhausflur läuft. Und er danach Fitnessgeräte für unsere Station organisierte. Und ich mein eigenes Ergometer aufs Zimmer gestellt bekam. Das war eine Überraschung! Daraufhin machten die Schwestern immer Witze, dass sie hier noch zum Fitnessstudio werden.

    Schöne Momente waren auch, wo Herr Wolf den Tannenbaum auf der Station schmücken durfte und seine Witzchen dabei machte, oder die Pflegerin kurz zu uns reinkam und ihr Herz ausschüttete: »Also, jetzt reicht’s, wir sind hier doch nicht im Hotel!« Und sich über andere Patienten aufregte. Und ich muss sagen, zu Recht. Wenn bei dem Pensum, was die Schwestern, Pflegerinnen leisten müssen, sich Patienten Kaffee oder Tee ans Bett bringen lassen, und das nicht nur einmal. Obwohl sie fit genug zum Laufen in die Teeküche wären. Darf sie sich ruhig aufregen.

    Wir haben aber auch viel gelacht. Auch oft bei den Arztvisiten, und da erinnere ich mich an die Situation, als ich relativ neu im Krankenhaus war und noch viel geweint habe. Als ich wieder einmal heulend wie ein Schlosshund im Bett saß und mein Mann neben mir mir gerade erklärte, dass auch er nicht zum Einschulungstreffen unserer Kleinen gehen könne, da er arbeiten muss. Und ich mir unsere Julia allein in der Schule stehend vorstellte, während die anderen ihre Mamas oder Papas bei sich haben, war ich einfach seelisch unten.

    Doch da kamen die Ärzte zur Visite herein, mit Studenten manchmal an die zehn Mann. Es war mir so peinlich, dass ich nun dasaß, alle um mein Bett standen, mich anblickten und ich schluchzend erklärte: »Es tut mir leid, ich kann einfach nicht aufhören zu weinen.« Daraufhin sagte die Oberärztin tröstend: »Oh, das ist schon in Ordnung. Sie müssen das ganze Gewicht nicht alleine tragen.« Und da murmelte mein Mann, der einen Umfang wie Calmund hat: »Das muss ich ja normalerweise.« Und da brachen alle in lautes Gelächter aus, sogar ich.

    Schön waren auch in so einer Situation nicht nur witzige Bemerkungen, sondern auch Berührungen. Es tat gut, wenn es mir körperlich und seelisch schlecht ging und der Arzt oder die Schwester mich am Arm streichelte oder lustig meinen großen Zeh hin- und herwackelte. Bei Fieberschüben mir liebevoll die Stirn abtupfte oder mal kurz über die Wange streichelte. Denn als Kranker fühlt man sich sehr hilflos und manchmal sogar abstoßend, und so ein Gefühl »Ich bin für dich da, mag dich und helfe dir« tut da sehr gut. Auch ein kurzes Drücken der Hand zum Beispiel. Zudem durften mich ja sowieso nur die Schwestern und Ärzte mit ihren desinfizierten Händen berühren.

    Aber was habe ich denn noch für lustige Situationen im Krankenhaus erlebt? Mmh, mir fallen gerade nur traurige ein. Ich lag zum Beispiel eine Woche mit einer Frau mit einer Eiweißspeicherkrankheit auf dem Zimmer. Die jeden Tag zur Dialyse geschoben werden musste und einen sehr niedrigen Blutdruck hatte. Die Ärzte wollten probieren, mit einer Chemobehandlung die unheilbare Krankheit zu stoppen. Als sie einmal an meinem Bett vorbei mit ihrem Infusionsständer zur Toilette ging, fiel sie plötzlich in Ohnmacht. Knallte mit dem Kopf auf den Boden und riss dabei ihre Portnadel heraus. Ich klingelte, rief auf dem Flur um Hilfe und sah die Frau, die auf mich leblos wirkte, am Boden in ihrem Blut liegen.

    Als die Schwestern hereinkamen und mich auf mein Bett verwiesen, da ich ja sowieso nicht helfen könnte, und ich zitternd zusah, wie sie ihr halfen, sagte Schwester R. später zu mir: »Endlich mal was los hier auf Station. Ich liebe Action.«

    Diese Einstellung von Schwester R. war sehr lehrreich für mich. Sie war auch noch gelernte Rettungssanitäterin, vielleicht lernt man da, mit so etwas gut umzugehen. Seinen Job zu lieben, und wenn es gerade drüber und drunter geht und man richtig gefragt ist, aufzudrehen. So wird es auch vielen Ärzten gehen, und ich verglich die Reaktion meines Hausarztes, wenn ich mit der zigsten Erkältung im Jahr bei ihm antrabte und er mir schon immer etwas gelangweilt sagte: »Mehr Ruhe, inhalieren, welche Medikamente haben Sie noch zu Hause, und welche soll ich Ihnen aufschreiben?«, mit der, als er mein Blutbild sah, welches völlig durcheinander war. Leukozyten bei 50.000. Nun waren die Ärzte herausgefordert
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