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Der Krankentröster (German Edition)

Der Krankentröster (German Edition)

Titel: Der Krankentröster (German Edition)
Autoren: Jürgen von der Lippe , Gaby Sonnenberg
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mit einem Vater in den Raum, dessen frühreife Tochter an Strabismus leidet, einer fehlerhaften Koordination der Augen, sodass beim Blick in die Ferne die beiden Seeachsen nicht parallel stehen. Von diesem erblich bedingten Leiden sind etwa drei bis fünf Prozent der Bevölkerung betroffen. Dieses Mädchen, es mag zehn oder zwölf Jahre alt sein, ist offensichtlich ungetauft, wir befinden uns also, scheint’s nicht in katholischen Hochburgen wie Bayern oder dem Rheinland, unstrittig aber in Deutschland, denn der Vater hebt, wie es heißt, sein Kind hoch in den Himmel und bittet: »Du hörst jetzt auf den Namen Käthe!« Ist das eine kühne und genialische Verkürzung, und die Bitte richtet sich an den Schöpfer, er möge doch in einer Art Lufttaufe, die so im christlichen Ritus nicht existiert, die Koseform von »Katharina« als Namen des Kindes akzeptieren? Oder richtet sich die Bitte an das Kind, das vielleicht nicht nur schielt, sondern auch schwerhörig ist und deshalb bislang nicht auf den Namen Käthe hörte? Wie auch immer: Wir konstatieren eine unerhörte Spannung zwischen dem Verbum »bitten« und dem darauffolgenden imperativischen »Du hörst jetzt …« Es hätte auch heißen können: … und er droht: »Du hörst jetzt auf den Namen Lot!« Mit Recht jedoch hat Robert Gernhardt sich für seine Formulierung entschieden. Nun ist der Name Käthe nur hier heimisch, im Gegensatz zum Elch, den wir, wie schon gesagt, in Nordeuropa, Asien und Nordamerika zu verorten haben. In Schweden heißt kein Mädchen Käthe. Annika ja, auch Cecilia, Siv, Ingegerd, Gunilla oder Inger, niemals aber Käthe. Und folgerichtig teilt uns die letzte Zeile des Gedichts lapidar mit, dass Elch und Vater nicht vergleichbar sind. Eine gewaltige gedankliche Kraftanstrengung implodiert am Ende, man muss unwillkürlich an den Sozialismus denken, der zur Entstehungszeit des Gedichts ja für sehr viele deutsche Intellektuelle ideologische Heimstatt war. Und so ist das gescheiterte Gleichnis am Ende womöglich ein Gleichnis für das Scheitern als solches, das ja als Damoklesschwert über unserem ganzen Leben hängt, das ja am Ende auch immer scheitert.

    Liebe Grüße
    Jürgen

    Hallo Jürgen,

    habe heute bis zwölf Uhr mittags geschlafen. Schande über mich. Bin ja auch spät ins Bett. Bei dem Gedicht »Das Gleichnis« fehlt mir der krankentröstende Aspekt. Es hat mich nicht berührt oder aufgebaut, und die Interpretation ist sehr lehrreich, aber zu schwere Kost.

    Gedichte mit reinzunehmen, finde ich aber generell eine sehr gute Idee. Mein absolutes Lieblingsgedicht ist der »Erlkönig« von Goethe (hast Du dazu vielleicht eine Interpretation, das fände ich sehr interessant) und das von Wilhelm Busch, »Der humorvolle Vogel«. Das habe ich durch die Karasek/Hirschhausen-CD kennengelernt. Ich hänge mal beide an. Sowie zwei Links, einen zu einer Vertonung von Schubert. Und da erinnere ich mich an Claudia, die sich während ihrer Zeit im Krankenhaus immer gern Schubert-Lieder angehört hat. Ein Sänger hat einige zu ihrer Beerdigung gesungen. Das war sehr berührend. Und der andere Link zeigt Marco Rima, der eine Parodie auf den »Erlkönig« aufgeführt hat. Sehr lustig!
    DER HUMORVOLLE VOGEL

    Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.

    Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frißt,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.
    Hier die erwähnten Links zum »Erlkönig«:

    http://www.youtube.com/watch?v=5XP5RP6OEJI&feature=share

    und Marco Rimas »Erlkönig«:

    http://www.youtube.com/watch?v=gXWHTYZL180

    und hier mein Lieblingsgedicht im Original
    DER ERLKÖNIG von Goethe

    Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

    Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? –
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

    »Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir;
Manch’ bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.« –

    Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht? –
Sei ruhig, bleibe
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