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Der kranke Gesunde

Der kranke Gesunde

Titel: Der kranke Gesunde
Autoren: Andreas von Pein , Hans Lieb
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grundsätzlich beeinflussen, die Art dieses Einflusses aber nicht bestimmen. Jede Welt bestimmt selbst, wie sie auf die andere reagiert.
Jede Veränderung in einer Welt führt normalerweise zu Veränderungen der anderen Welten. Was dabei am Ende herauskommt, kann allerdings niemand vorhersagen.
Es bestehen Wechselwirkungen und Rückwirkungen zwischen den Welten: Wenn das Soma auf die Psyche reagiert, reagiert die Psyche wiederum auf diese Reaktion des Soma usw.
Das natürliche Auf und Ab der Lebensvorgänge
    Ein weiteres entscheidendes Prinzip, das wir überall in der Natur und auch an uns selbst beobachten können, ist der Wechsel zwischen Aktivität und Passivität, ein natürliches Auf und Ab der Lebensvorgänge. Der gesunde Körper pendelt zwischen Ruhe und Erregung, Schlaf und Wachsein, Essen und Verdauen (siehe →  S. 49 ). Das gilt auch für die Psyche: Für ihre Gesundheit braucht sie ein gesundes Hin und Her zwischen Erregung und Entspannung, Leisten und Ruhen, Lachen und Trauern, Freude und Schmerz. Von sich aus streben Körper und Psyche nach dieser ausgleichenden Oszillation. Würden sie nicht von außen gestört, würden sie dies mühelos tun.
    Störeinflüsse. Nun gibt es aber die Möglichkeit der »Verstörung « der einen Welt durch eine andere. Die Psyche kann z. B. den Körper ins Ruhebett legen, wenn dieser aktiv sein will. Da hier das Soma auf die Psyche reagieren muss, kann die Psyche das gesunde Hin und Her des Körpers nachhaltig stören. Ein Körper kann nicht ruhen, wenn die Psyche ihm ständig Kof fein zuführt, Kampfgedanken denkt und Entspannung für Müßiggang hält. Dann wird sozusagen die eine Welt »zu hart« für die andere und schränkt deren Reaktionsvielfalt in ungesunder Weise ein.
    Das Gleiche gilt für das Verhältnis von Welt 3 (soziale Welt) und Welt 2 (Psyche): Wenn die Psyche zum eigenen guten Überleben Ruhe und Entspannung, lustvolle Freudeoder selbstbewusst-abgrenzendes Verhalten braucht, die soziale Umwelt ihr das aber als »Faulheit«, Sünde oder »egozentrische Aggression« verbietet, dann »darf« Welt 2 (Psyche) nicht tun, was sie für sich bräuchte. Oder sie darf nicht, was ihr Körper bräuchte.
    So können alle drei Welten sehr wohl für die anderen Welten ebenso förderlich wie störende Umwelt sein. Krankmachend ist also, wenn die soziale Welt »härter« ist als die Psyche und ihr so die notwendigen Freiräume nimmt oder wenn die Psyche »härter« ist als das Soma. Dann ist das Soziale nicht »gesund« für die Psyche und die Psyche nicht »gesund« für den Körper. Dann darf in Welt 3 und Welt 2 nicht sein, was der Welt 2 oder der Welt 1 gut tun würde. Natürlich kann auch die Welt des Soma zu hart für die der Psyche sein: Ein gelähmter Körper engt den Spielraum der Psyche ein. Und die Rigidität der Psyche einer Person kann eine soziale Gemeinschaft lähmen. Die somatische Medizin versucht den Körper zu verändern. Die psychosomatische Therapie zentriert sich auf die soziale und die psychische Welt.
Warum der Geist den Körper braucht
    An dieser Stelle müssen wir innehalten und einen Blick auf eine Besonderheit in der Beziehung von Körper und Psyche werfen. Wir stoßen hier im wahrsten Sinne des Wortes auf ein »Geheimnis«. Dessen Lüftung kann man in der Behandlung psychosomatischer Krankheiten sehr gut nutzen. Das »Geheimnis« heißt: Die Psyche braucht einen Körper, um die Welt überhaupt verstehen zu können! Denn: Woher weiß die Psyche wie ein Apfel schmeckt, was Angst ist oder was »Sex« bedeutet? Sie könnte das alles nicht verstehen, wenn sie keinen Körper hätte. Warum? Weil die Bedeutung jedes dieser Worte im Körper gespeichert ist. Hätten wir nie einen Baum mit Händen berührt, in keinen Apfel gebissen, nie Herzklopfen vor Angst gehabt oder Sexualität nie körperlich erlebt, könnte uns das alles mit Worten noch so genau beschrieben werden: Wir könnten nicht nachvollziehen, was damit gemeint ist. Das »Hineinfühlen « in unseren Körper kann unser Leben enorm bereichern. Oft »weiß« z. B. nur der Körper, dass etwas in der Verfassung einer Person oder in der sozialen Welt nicht stimmt – die Psyche »spürt« es nur körperlich. Und erst wenn die Psyche sich dann ihrem Körper achtsam zuwendet, wird ihr selbst klar, was los ist. Diese Körper-Wahrnehmungen werden daher in vielen Therapien geübt und genutzt. Ein wissenschaftlicher Ansatz, der sich »Embodiment « (zu Deutsch: Verkörperung ) nennt, baut darauf auf: Pa
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