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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake
Autoren: China Miéville
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Baron. Der andere Mann nickte. Die junge Polizistin lehnte an der Wand und nestelte an einem Mobiltelefon.
    »Tee?«, wollte Baron von Billy wissen und deutete gleichzeitig auf einen Stuhl. »Kaffee? Absinth? Das ist natürlich nur ein Scherz. Ich würde Ihnen ja eine Zigarette anbieten, aber heutzutage ... na ja, Sie wissen schon.«
    »Nein, ich brauche nichts«, sagte Billy. »Ich würde nur ...«
    »Natürlich, natürlich. Sehen wir weiter.« Baron setzte sich, holte einen Stapel Zettel aus der Tasche und blätterte sie durch. Die Schusseligkeit wirkte nicht sehr überzeugend. »Erzählen Sie mir von sich, Mr. Harrow. Ich glaube, Sie sind Kurator, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Was bedeutet das?«
    »Ich konserviere, katalogisiere und so weiter.« Billy hantierte an seiner Brille herum, damit er sein Gegenüber nicht ansehen musste. Er versuchte herauszufinden, wohin die Frau blickte. »Ich sitze am Computer, recherchiere und halte alles in Schuss.«
    »Machen Sie das schon immer?«
    »Im Wesentlichen.«
    »Und ...« Baron blickte auf einen Zettel. »Wie man mir sagte, waren Sie es, der den Kalmar präpariert hat.«
    »Nein. Das waren wir alle. Ich meine ... es war eine Gemeinschaftsarbeit.« Der andere Mann nahm neben Baron Platz, sagte nichts und betrachtete seine Hände. Die junge Frau seufzte und drückte auf ihrem Mobiltelefon herum. Offenbar machte sie gerade ein Spiel. Sie schnalzte mit der Zunge.
    »Sie waren im Museum, nicht wahr?«, wandte Billy sich an sie. Sie schaute hoch. »Haben Sie mich angerufen? Gestern?« Ihre Amy-Winehouse-Frisur war unverwechselbar. Sie schwieg.
    »Sie ...«, Baron deutete mit einem Kugelschreiber auf Billy und kramte weiter zwischen seinen Notizen herum, »sind viel zu bescheiden. Sie sind der Kalmar-Spezialist.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.« Billy rutschte auf seinem Platz hin und her. »Wenn so etwas bei uns ankommt, wissen Sie ... dann arbeiten wir alle daran. Alle Mann an Deck, meine ich ...« Er deutete mit einer ausholenden Geste Größe an.
    »Nicht so bescheiden«, sagte Baron. »Sie haben ein besonderes Händchen für sie, nicht wahr?« Baron schaute ihm in die Augen. »Das sagt jeder.«
    »Ich weiß nicht.« Billy zuckte die Achseln. »Ich mag Mollusken.«
    »Sie sind wirklich ein geradezu liebenswert bescheidener junger Mann«, sagte Baron. »Und Sie machen niemandem etwas vor.«
    Kuratoren waren im gesamten Artenspektrum tätig. Aber es war ein offenes Geheimnis, dass speziell Billys Mollusken etwas Besonderes waren. Dabei konnte man wahlweise beide Worte betonen - es waren Billys Mollusken und genauso Billys Mollusken, die über Jahre in ihren Lösungen in einem tadellosen Zustand blieben, die in ihren Schaugläsern besonders dramatische Posen einnahmen und auch auf Dauer in ihnen verharrten. Es ergab eigentlich keinen Sinn, ein Tintenfisch konnte nicht besser oder schlechter konserviert werden als ein Gecko oder eine Hausmaus. Doch die scherzhaften Bemerkungen wollten nicht verstummen, denn es steckte ein Körnchen Wahrheit darin. Dabei war Billy, als er angefangen hatte, ziemlich tollpatschig gewesen. Er hatte sich durch eine ansehnliche Zahl von zertrümmerten Bechergläsern, Reagenzröhrchen und Glaskolben gekämpft und hatte mehr als ein totes Tier formalintriefend vom Laborfußboden aufsammeln müssen, ehe er praktisch über Nacht zum perfekten Konservator mutiert war.
    »Was hat das alles mit dieser Angelegenheit zu tun?«, fragte Billy.
    »Das kann ich Ihnen gerne erklären«, sagte Baron. »Sehen Sie, Mr. Harrow, wir haben Sie aus zwei Gründen hier rauf oder runter - je nachdem, wie Sie den Stadtplan halten - kommen lassen. Der eine Grund ist, dass Sie die Person sind, die das Fehlen des Riesenkalmars bemerkt hat. Und der andere Grund ist etwas ganz Spezielles. Etwas, das Sie erwähnt haben.
    Ich weiß, dass ich es Ihnen erklären muss«, sagte Baron. »So etwas wie das hier habe ich noch nie erlebt. Ich meine, es sind schon Pferde gestohlen worden. Jede Menge Hunde, natürlich. Auch die eine oder andere Katze. Aber ...« Er kicherte und schüttelte den Kopf. »Ihre Wachleute müssen sich zurzeit sicher eine ganze Reihe von Fragen gefallen lassen, nicht wahr? Ich nehme an, dass im Augenblick einer dem anderen die Schuld zuschiebt.«
    »Sie meinen Dane und seine Truppe?«, sagte Billy. »Ich glaube schon, aber ich weiß es nicht.«
    »Dane meinte ich gar nicht. Interessant, dass Sie ihn erwähnen. Ich meine eigentlich, wie es so schön heißt, die
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