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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman
Autoren: H kan Nesser
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zurück. »Denn er will unbedingt dich dafür haben. Ehrlich gesagt ... ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass da was faul ist, aber wenn du schon Reinhart zu dieser anderen Sache überredet hast, dann kannst du ja genauso gut auch hinfahren.«
    Van Veeteren antwortete nicht. Brach einen Zahnstocher durch und zeigte seinem Vorgesetzten die Zähne.
    »Natürlich nur, um die Sache zu untersuchen«, sagte Hiller. »Für einen Tag, allerhöchstens zwei.«
    »Eine Vermisstenmeldung?«, knurrte der Hauptkommissar.
    »Ja«, sagte Hiller. »Ein junges Mädchen nach allem, was ich verstanden habe. Ja, verdammt noch mal, was willst du mehr? Ein idyllischerer Ort als Sorbinowo lässt sich zu dieser Jahreszeit ja wohl kaum finden ...«
    »Was meintest du damit, dass da was faul ist?«
    Einen Moment lang sah es so aus, als würde der Polizeipräsident erröten.
    Vielleicht sind es aber auch nur seine täglichen Hirnblutungen, dachte Van Veeteren. Ihm war klar, dass er sich einer Floskel von Reinhart bediente. Er stand auf.
    »Allright«, sagte er. »Dann werde ich wohl hinfahren und mir das mal anschauen.«
    Hiller reichte ihm die Mappe mit den Informationen. Van Veeteren betrachtete sie zwei Sekunden und schob sie dann in die Tasche.
    »Die Hortensie da sieht aber beleidigt aus«, stellte er anschließend fest.
    Der Polizeipräsident seufzte.
    »Das ist keine Hortensie«, erklärte er. »Das ist eine Aspidistra. . . ja, eigentlich sollte sie die Hitze gut vertragen können – aber offensichtlich tut sie das nicht.«

    »Wahrscheinlich verträgt sie auch etwas anderes nicht«, sagte Van Veeteren und drehte dem Polizeipräsidenten den Rücken zu.

6
    Unter den Informationen befand sich auch die private Telefonnummer des Polizeianwärters Kluuge, aber der Hauptkommissar wartete mit seinem Anruf, bis er zu Hause war. Eine junge Frau war am Apparat und teilte ihm prompt mit, dass der stellvertretende Polizeichef im Augenblick unter der Dusche stand, er es aber gern etwas später noch mal versuchen könnte. Van Veeteren erklärte ihr, wer er war, und schlug vor, dass der Polizeianwärter seinerseits umgehend von sich hören ließ, sollte er wirklich etwas auf dem Herzen haben.
    Kluuge rief drei Minuten später an, und es wurde nur ein kurzes Gespräch. Schon seit langer Zeit verabscheute Van Veeteren Telefone, und nachdem ihm klar geworden war, dass die ganze Geschichte möglicherweise zumindest ein Körnchen Wahrheit enthielt, beschloss man ein Treffen am folgenden Tag.
    Und wenn er dabei nur überprüfen könnte, ob das mit der Idylle auch stimmte, dachte der Kommissar verschmitzt.
    »Ich nehme den Wagen«, erklärte er. »Bin gegen zwölf Uhr da. Du kannst mich dann beim Mittagessen über alles informieren.«
    »Aber gern«, sagte Kluuge. »Vielen Dank, dass Sie sich bereit erklären.«
    »Keine Ursache«, sagte Van Veeteren und legte auf.
    Anschließend blieb er eine Weile unschlüssig sitzen. Entschied sich schließlich, daheim zu bleiben, holte Brot, Bier, Wurst, Käse und Oliven hervor und ließ sich unter der Markise auf dem Balkon nieder. Stand nach dem ersten Schluck noch einmal auf und ging wieder nach drinnen. Zögerte von neuem, bis er Erik Satie zwischen den CDs fand. Stellte die Gymnopédies an und kehrte zurück in den Sommerabend.

    Wilfred Malijsen, dachte er. Dieser verdammte Idiot.
    Und während er so dasaß und bemerkte, wie der Duft der blühenden Linden sich über das Balkongeländer schlich, und während die Sonne über dem Ziegeldach der Kroelschbrauerei unterging, schweifte seine Erinnerung zurück zu seinem ersten Zusammentreffen mit diesem entfernten Kollegen.
    Es musste inzwischen mehr als zwanzig Jahre zurück liegen, aber vielleicht war es trotzdem wert, aus dem trüben Brunnen des Vergessens herausgefischt zu werden.
    1978, nahm er an. Möglicherweise auch ’79.
    Eine einwöchige Konferenz für höhere Polizeibeamte und Kriminalbeamte, die in ihrer Karriere weiterkommen wollten.
    Zeit: Spätherbst, Oktober oder November. Ort: ein Touristenhotel mit dem einen oder anderen Stern draußen am Hafen von Lejnice. Zweck: untergegangen im Dunkel der Zeit.
    Das Geschehen, das diese Woche erinnerungswürdiger machte als ähnliche makabre Veranstaltungen, war – wenn er sich noch recht erinnerte – am Mittwoch eingetreten, nach drei oder vier Tagen voller Seminare mit bärtigen Psychologen in Sandalen und lustloser Gruppenarbeit und immer längeren Abenden in Bars und Kneipen. Ein junger Desperado, der
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