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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet
Autoren: Tony Hillerman
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er.
    »Richtig, sogar verdammt viel Geld! Dutzende von Bögen mit postfrischen Briefmarken aller Art. Ich bin kein Philatelist, aber ich habe einige der Preise nachgeschlagen. Zum Beispiel bringt ein Viererblock der Fünf-Cent-Marke mit William Mk-Kinley mindestens vierhundert Dollar. Ein Viererblock der Zehn-Cent-Marke zur Erinnerung an den Kauf Louisianas ist sogar achthundert Dollar wert. Manche dieser Ein-Cent-Marken würden über hundert Dollar pro Stück bringen. Ich habe noch nicht alles zusammengezählt, aber wir reden hier von drei-bis vierhunderttausend Dollar! «
    »Ein Haufen Geld«, bestätigte Chee, der jedoch andere Dinge im Kopf hatte. Würde der alte Revolver, mit dem Redd ihn bedrohte, noch losgehen? Wie sollte er hier bloß lebend rauskommen, verdammt noch mal? Und er war offenbar nicht beeindruckt genug gewesen.
    »Für Sie ist das wahrscheinlich nicht viel, weil Sie einen sicheren Job haben«, sagte Redd, »aber für jemanden, der sich durch sein Studium hungert, ist das ein verdammter Haufen Geld. Endlich ist Schluß mit der ständigen Pleite und der Sklavenarbeit für Dreckskerle wie diesen hier.«
    »Womit hat's denn Probleme gegeben? Wollte Tagert den ganzen Fund für sich behalten?«
    Redd lachte. »Auf Geld konnte er verzichten! Das hatte er schon. Ruhm und Ehre, das war's, worum's ihm ging! Und er wollte sich an den Kollegen rächen, die ihn seiner Ansicht nach verleumdet hatten. Nein, er wollte alles so lassen, wie ich's in seinem Auftrag entdeckt hatte, und seinen Fund den Behörden melden. Vor allem wollte er einen Sachverständigen des Postministeriums anfordern, der ihm amtlich bestätigen sollte, daß dieser Postsack mit diesem Inhalt damals aus dem Zug der Colorado and Southern geraubt wurde.«
    »Ah, ich verstehe!« sagte Chee. »Er wollte eine eindeutige Verbindung zwischen diesen beiden Toten und der Identifizierung Cassidys als Posträuber. Das wäre dann der Sieg über die anderen Historiker gewesen.«
    »Ich glaube, daß Tagert irgend etwas gefunden hat, mit dem er den Toten identifizieren konnte. Und er hat die Leiche abgemessen. Können Sie sich das vorstellen? Hat ihn so gerade wie möglich hingelegt und seine Größe gemessen. Er hat gesagt, Cassidy sei einsfünfundsiebzig groß gewesen - genau so groß wie die Mumie mit dem Schnurrbart. Und er hat gesagt, Cassidy habe eine tiefe Narbe unter einem Auge und zwei weitere am Hinterkopf gehabt. Tagert hat behauptet, auch sie gefunden zu haben, aber die Mumie ist so verschrumpelt, daß ich selber nichts feststellen konnte.«
    »Daß der Tote Cassidy ist, dürfte auch so eindeutig sein, finde ich. Wer wollte das Gegenteil beweisen?«
    »Da kennen Sie die Historiker aber schlecht«, sagte Redd. »Und Tagert ist ein verdammt sturer Hund gewesen. Ich hab' ihm gesagt, daß die Post die Beute der Posträuber als ihr rechtmäßiges Eigentum zurückfordern würde. Der Nominalwert der Briefmarken beträgt ein paar hundert Dollar - wir hätten ein Vermögen eingebüßt.«
    »Was hatten Sie vor?«
    »Ich wollte teilen«, sagte Redd. »Einfach ehrlich teilen. Fifty-fifty. Das wäre fair gewesen. Schließlich hätte er diese Stelle ohne mich nie gefunden.«
    Wie wär's mit je einem Drittel gewesen? dachte Chee. Schließlich war ja auch noch Ashie Pinto dabei. Ohne ihn hättest du überhaupt nichts gefunden. Laut fragte er jedoch: »Wie hat Tagert auf diesen Vorschlag reagiert?«
    »Er hat bloß hämisch gegrinst und mir erklärt, als Honorar sei ein Tausender vereinbart, von dem mir noch fünfhundert Dollar zustünden.«
    »Deshalb haben Sie ihn erschossen?«
    »Ich hab' ihn nicht erschossen! Ich wollte die Satteltasche an mich reißen - und dabei hat sich rausgestellt, daß er einen Revolver in der Jacke hatte. Tagert hat mir gedroht, mich zu erschießen, wenn ich nicht alles unberührt ließe. Und wissen Sie was? Ich glaube sogar, daß er's getan hätte.«
    Nur nicht widersprechen, dachte Chee. Weiterreden lassen! »Das würde mich nicht wundern - nach allem, was ich über ihn gehört habe.«
    »Allerdings nicht!« bestätigte Redd hämisch lachend. »Und nun zur Ironie des Schicksals: Der alte Ashie hat Tagert erschossen.«
    Natürlich - und Nez ebenfalls. Der alte, betrunkene Ashie Pinto als allzeit bereiter Sündenbock.
    »Pinto?« fragte Chee jedoch. »Was soll daran eine Ironie des Schicksals sein?«
    Nach dem ersten Flockenwirbel hatte der Schneefall wieder aufgehört. jetzt begann er erneut, streifte Chees Wangen mit Schneeflocken
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