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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet
Autoren: Tony Hillerman
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33 nach Westen. Da er die bessere Straße hatte, wäre er vermutlich eine Viertelstunde früher angekommen. Aber jetzt hatte er anscheinend vor, jemanden festzunehmen, was seinem Vorsprung ausgleichen würde.
    In den Wolken über den Chuska Mountains wetterleuchtete es gerade, und Chees Streifenwagen zog nicht mehr nach rechts, sondern statt dessen nach links. Vermutlich hatte der Fahrer der Planierraupe gemerkt, daß seine Schaufel falsch eingestellt war, und die Einstellung zu stark korrigiert. Wenigstens war dadurch nicht der übliche Waschbretteffekt entstanden, der einem Nierenschläge versetzte.
    Die Abenddämmerung - ein durch das heraufziehende Gewitter bewirktes vorzeitiges Zwielicht - war hereingebrochen, als Chee von der Schotterstraße auf den Asphalt der Route 33 abbog. Nez und sein Wagen waren nirgends zu sehen. Chee sah überhaupt keine Scheinwerfer, sondern nur das letzte Nachglühen des flammendroten Sonnenuntergangs. Er rollte an den Zapfsäulen der Tankstelle Red Rock vorbei und parkte hinter dem Handelsposten. Kein Streifenwagen 44 an der Stelle, wo Nez sonst immer parkte.
    Chee stieg aus und inspizierte den rechten Vorderreifen, der völlig in Ordnung zu sein schien. Danach sah er sich um.
    Drei Pickups und ein blauer Chevy. Die Limousine gehörte der neuen Abendkassiererin. Ein hübsches Mädchen, aber er konnte sich nicht an ihren Namen erinnern. Wo mochte Nez stecken? Vielleicht hatte er seinen farbsprühenden Vandalen tatsächlich geschnappt. Vielleicht hatte die Benzinpumpe seiner Rostlaube endgültig den Geist aufgegeben.
    Auch im Laden war Nez nirgends zu sehen. Chee nickte der Kleinen zu, die hinter der Kasse in einer Zeitschrift blätterte. Sie bedachte ihn mit einem schüchternen Lächeln. Wie hieß sie gleich wieder? Sheila? Suzy? Irgendwas in dieser Richtung. Sie war eine Towering House Dineh und deshalb mit Chees eigenem Slow Talking Clan weder verwandt noch verschwägert. Daran erinnerte Chee sich genau. Junge Navajos prüften das ganz automatisch, um sicherzugehen, daß jemand, der einem gefiel, nach dem komplizierten Clansystem des Stammes keine Schwester, Cousine oder Nichte war.
    Der Glasbehälter der Kaffeemaschine war zu zwei Dritteln voll, was im allgemeinen ein gutes Zeichen war, und der Kaffee duftete frisch. Chee griff sich einen Styroporbecher für fünfzig Cent, ließ ihn vollaufen und nippte. Gut, dachte er. Dann nahm er sich eine Packung mit zwei Twinkies mit Schokoladeüberzug. Sie würden gut zum Kaffee passen.
    An der Kasse gab er dem Mädchen aus dem Towering House Clan einen Fünfdollarschein.
    »Ist Delbert Nez dagewesen? Erinnerst du dich an ihn? Ein bißchen untersetzt, kleiner Schnäuzer. So ein richtig potthäßlicher Polizist.«
    »Ich fand ihn eigentlich ganz niedlich«, sagte die Kassiererin lächelnd.
    »Vielleicht hast du einfach 'ne Schwäche für Polizisten?« sagte Chee. Verdammt noch mal, wie hieß das Mädchen gleich wieder?
    »Nicht für alle«, wehrte sie ab. »Kommt darauf an.«
    »Ob sie gerade deinen Freund verhaftet haben, schätze ich«, sagte Chee. Die Kleine war ledig - das wußte er von Delbert. (»Warum beschaffst du dir solche Informationen nicht selbst?« hatte Nez sich beschwert. »Bevor ich geheiratet hab', wußte ich über diese Dinge genau Bescheid. Ich hätte niemand zu fragen brauchen. Wenn meine Frau rauskriegt, daß ich mich für die Clanzugehörigkeit von Miezen interessiere, sitze ich bis zum Hals in der Scheiße!«)
    »Ich hab' keinen Freund«, sagte das Mädchen aus dem Towering House Clan. » Im Augenblick nicht. Und Delbert ist heute abend noch nicht dagewesen.« Sie kicherte, während sie Chee das Wechselgeld herausgab. »Hat er seinen Felsenmaler eigentlich schon geschnappt?«
    Chee fragte sich, ob er für kichernde Mädchen nicht vielleicht schon ein bißchen zu alt war. Aber sie hatte schöne braune Augen, lange Wimpern und einen perfekten Teint. Und sie verstand sich aufs Flirten.
    »Vielleicht ist er gerade dabei, ihn festzunehmen«, antwortete er. »Ober Funk hat er vorhin was davon gesagt.« Ihm fiel auf, daß sie ihm einen Dime zuviel herausgegeben hatte, was irgendwie zu ihrem Kichern paßte. »Zuviel«, sagte er und gab ihr die Münze zurück. »Hast du eine Idee, wer der Maler sein könnte?« Dann fiel ihm ein, wie sie hieß: Shirley. Shirley Thompson.
    Shirley spielte die Erschrockene. Es sah hübsch aus. »Irgendein Verrückter«, behauptete sie.
    Das war auch Chees Theorie. Aber er fragte trotzdem: »Warum
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